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13. (4. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.
Obwohl über die, durch zwei seitlich angebrachte flammende Geschosse (Granaten) zweifellos bestätigte militärische Bedeutung der Klein-Machnower Portalornamentik kein Zweifel bestehen kann, hat die frei fabulierende Volksphantasie gleichwohl mehre abenteuerliche Erzählungen, die man, streng genommen, nicht als Sagen bezeichnen darf, in Bezug auf dieses Medusenhaupt erfunden: so z. B., dass es einen unbarmherzigen Schlossherrn darstelle, der, ähnlich dem Dänen- König Ragnar Lodbrog*), von Schlangen zerfleischt wird. Für ebenso frei, nur weniger grausam, erfunden halte ich die Cosmar- Bertramschen sogen. „Sagen“ vom Berliner Neidkopf.
Was bedeuten aber die Medusenhaupt-Darstellungen über den flaus- tlniren und wie sind sie mit der Vorstellung des Neides in Verbindung zu bringen?
Wenn Herr Rechtsanwalt Dr. v. Freydorf in Mannheim (vgl. Brandenburgs VII, S. 87) fragt, ob nicht der Berliner Neidkopf eine baurechtliche Bedeutung habe, indem er verhindern solle, dass, soweit sein Blick reicht, kein Bau aufgeführt werden darf, so ist es richtig, dass Hausköpfe in dieser Rechtssymbolik Vorkommen. Es giebt sogar einen eigenen terminus technicus „Neidbau“, den Adelung, Grammatischkritisches Wörterbuch, Teil III, Wien 1808, S. 461 also definiert: „Neidbau, der, plur. inus., in den Rechten und im gemeinen Leben, ein Bau, welcher mehr aus Neid gegen den andern, d. i. aus Verlangen, ihm zu schaden, als um des Nutzens willen unternommen wird.“ — Allein Herr Rud. Buchholz, Brandenburgia VII, 88, hat mit Recht schon darauf hingewiesen, wie die Örtlichkeit der Heiligen Geiststrasse ergebe, dass von jener Rechtsdeutung dort keinerlei Anwendung gemacht werden könne.
Also damit ist es nichts, vielmehr müssen wir den archäologischvolkstümlichen und den sprachlichen Ursprung unseres Neidkopfes zu ergründen versuchen.
Unter den drei Gorgonenschwestern Stheno, Euryale und Medusa ist die letztere die furchtbarste, ihr Kopf versteinerte den, der ihn anschaute. Deshalb konnte Perseus ihr auch nur in der Weise den Kopf vom Rumpf abhauen, dass er sich über dessen Lage im Spiegel seines blank geputzten Schildes orientierte. Pallas-Athene befestigte das auch leblos noch fürchterliche Medusenhaupt an ihrem Aegispanzer.
Somit gilt das Medusenhaupt als eines der furchtbarsten Schreck- und Abwehr-Mittel während des klassischen Altertums. Aber selbst während der Barbarei des Mittelalters ist, wie wir aus dem Kopf des Märkischen Museums ersehen, die Erinnerung nicht ganz erloschen.
*) James Macpherson: The Poems of Ossian. Tauchnitz-Edition. Leipzig