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14. (5. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.
»Wenn das Geld im Kasten klingt,
Die Seele aus dem Fegefeuer springt.“
vorgezeigt.
Der Dominikaner Tezel*) kam im Oktober 1517 aus Berlin nach Jüterbog und besonders war es sein dortiges schamloses Auftreten, welches Dr. Martin Luther dazu veranlasste, an den Thüren der Schlosskirche zu Wittenberg jene berühmten 1)5 Thesen anzuschlagen, welche die Gesamtheit der abendländischen Christenheit auf das Tiefste erschüttern sollten. Unweit Jüterbog auf Stülpe sass, so erzählt die Sage, ein dreister Kumpan, der Kitter von Hake, welcher sich unter dem Namen Kaatsch von Tezel einen Ablasszettel für eine noch zu begehende Sünde erkaufte und auf Grund desselben alsdann den Ablasskrämer selbst zwischen Stülpe und Holbeck ausplünderte. Diese mit Hohn überall begrüsste freche That erlangte eine unglaubliche Volkstümlichkeit. Der Vorgang ist seither ungezählte Male besungen und beschrieben worden. Am bekanntesten ist Willibald Alexis’ Darstellung im „Wärwolf“ woselbst es Bd. I. S. 95 heisst: „Nachmalen, als der Schnee geschmolzen, ward der Kasten, den Tezel mit sich führte, an den Magistrat zu Jüterbog von etlichen Leuten des Ritters Hake von Stülpe abgeliefert; die hatten ihn in einer Schlucht des Flemmings bei den Mondbergen gefunden, was sie allsehr verwundert, wie er dahingekommen. Geld aber war nicht mehr darin. Tezel hatte ihn nicht zurückgefordert, und er steht noch heutigen Tages hinterm Altar in der Sanct Nicolai-Kirche zu Jüterbog.“
Hierin mischt sich aber das sogenannte Gesetz der Duplicität der Fälle, denn ein angeblicher Tezel-Kasteu befindet sich auch im Mark. Prov.-Museum, Kat. VI. 7095. Diese Schatzlade ist 1,37 m lang, 0,75 breit und 0,73 hoch und besteht aus Eisenplatten, die durch aufgenietete breite Bänder verstärkt sind. In der v. Hakeschen Familie hatte sich die Ueberlieferung erhalten, dass dieser, in Stülpe, dem Stammsitz des oben genannten Ritters v. Hake, aufbewahrte Kasten der einst dem Tezel abgenommene sei. Als der letzte weibliche Sprosse der Stülper Familie sich mit Herrn v. Arnstaedt auf Gross-Kreuz verheiratete, war der Kasten mit nach Gross-Kreuz gekommen, von wo aus er im Jahre 1881 dem Prinzen Friedrich Carl von Preussen
*) Johann Tezel (eigentlich Diez oder Diezel, daher die Schreibweise Tezel weniger gerechtfertigt) geh. um 1455 zu Leipzig, 1489 Dominikaner, seit 1502 Ablassprediger, nach einem ebenso abenteuerlichen wie wüstem Leben, f 1519 an der Pest zu Leipzig (in der Universitätskirche begraben). Schon i. J. 1509 verhandelte T. Ablassbriefe unter dem Motto:
„Sobald das Geld im Kasten klingt,
Die Seele in den Himmel springt“
zu Görlitz. Vgl. Kawerau: Ein offener Brief an Herrn Domkapitular Eöhm. Barmen, 1890.
