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14. (5. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.
hängen bleibt. An einer anderen Stelle des Sees, die bei niedrigem Wasser 6 bis 8 Fuss tief ist, sollen sich Stubben abgehauener Eichen befinden. Man hat diese Stelle, der Fischerei wegen, mit Stangen bezeichnet, weil das Netz an den Stubben hängen bleibt.*)
Die oben mitgeteilten Beobachtungen lassen nicht daran zweifeln, dass dieser Kalk sich noch fortwährend bildet. Das beweisen die frisch eingeschlossenen Conchylien, das beweisen die Wurzelfasern, welche sich nicht erst nach der Entstehung des Kalkes hineingezogen haben, denn sie finden sich ebenso gut in den dicksten Blöcken, als an der Oberfläche und in kleinen Stücken. Ausserdem schickte eine Pflanze ihre Wurzeln nie nach Stellen, wo sie keine Nahrung finden kann. Dazu kommt, dass der Kalk sich schon vorher porös bilden müsste, ehe er Wurzeln empfing, und doch zeigt sich deutlich, dass eben die Wurzeln die Ursache dieser Poren und Kanäle sind, da sie, wenn auch nur als schwache Reste, in allen Höhlungen zu entdecken sind. So gewiss es daher auch ist, dass der Kalk sich fortdauernd bildet, so gewiss ist es daher auch, dass er kein blosses Sediment ist. Dem widerspricht seine Form, seine Lagerung und seine Consistenz. Ein Sediment würde gleichförmig gelagerte ebene Bänke geliefert haben, keinesweges knollige und zackige Stücke mit abgerundeten Ecken und Kanten, deren keines mit dem anderen zusammenhängt. So befremdend es klingen mag, bin ich doch nach meinen Beobachtungen genötigt, anzunehmen, dass alle diese Kalkstücke nicht von oben, sondern von unten neuen Kalk ansetzen, so dass jedes einzeln und lose liegende für sich wächst, und seine Bildung nicht als abgemacht betrachtet werden kann. Daher denn die merkwürdige Erscheinung, dass die Kalkstücke oben hart und unten weich sind, so lange sie im Wasser liegen. Man muss annehmen, dass alle sich ablagernden Kalkteile durch irgend eine Kraft im Wasser genötigt werden, nach oben zu gehen und dort eine Verbindung zu suchen, das Unten aber zu meiden, ja dass sie hier, von der harten Oberfläche des darunter liegenden Steins, sogar abgestossen werden. Wem fällt hier nicht die Lagerung der Stoffe an den Polen einer galvanischen Säule ein. Jedes Kalkstück müsste in seiner natürlichen Lage als eine solche Säule betrachtet werden, deren positiver Pol nach oben, deren negativer aber nach unten gerichtet wäre, und nur an deren negativem Pol lagert sich der Kalk ab.
Diese Beobachtung scheint mir nicht unwichtig, und ich bedauere dabei nichts mehr, als dass es mir nicht möglich ist, diese Kalkbildung eine Zeitlang unausgesetzt zu beobachten. Vielleicht wäre es möglich, hier der Natur eines ihrer bedeutendsten und wichtigsten Geheimnisse abzulauschen, das für die Erklärung vieler Erscheinungen in andern Lagern nicht ohne Erheblichkeit wäre. Namentlich glaube ich, dass das Sumpferz sich auf eine ganz ähnliche Weise bildet oder vergrössert.
Aber wo kommt dieser Kalk her? Das Wasser des Sees verrät, wenigstens durch den Geschmack, keinen Kalkgehalt, und doch müsste sich Kalk in reichlicher Menge darin aufgelöst finden, wenn er sich aus demselben
*) Vielleicht Reste von Pfahlbauten wie im Werbellin-See bei Joachimsthal.
E. Fr.