Wagner, „Zur Geschichte und Technik des Mosaiks“.
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Bei den meisten dieser Arbeiten sind noch die Einflüsse der klassischen Kunst erkennbar und gerade dieses unterscheidet sie vorteilhaft von den meisten Mosaiken späterer Jahrhunderte, bei denen die byzantinischen, steifen und eckigen Formen den künstlerischen Genuss wesentlich einschränken, wenn auch ihre oft sehr prachtvolle und harmonische Farbenwirkung diesen Eindruck etwas mildert.
Vor allen übrigen italienischen Mosaiken werden die ravennatischen erst in neuester Zeit wieder besonders gewürdigt und bereits verschiedene unserer hervorragenden Berliner Künstler haben Studienreisen nach dort unternommen um die unvergänglichen und bis heute auch noch unübertroffenen Schönheiten derselben an Ort und Stelle zu studieren. Ich verweise nur auf die hier ausgestellten Arbeiten zu dein Ciborienaltar für Maria-Laach, sowie auf die Kanzeleinlagen für die hiesige Jerusalemerkirche, welche wir nach Entwürfen von Maler Oetken ausführen, und welche an alte, ravennatische Motive angelehnt und in der Farbe ziemlich genau denselben nachgebildet sind.
Die Mosaiken im Dom zu Monreale— deren Hauptteile entstanden, während die Hohenstaufen ihre Herrschaft über die beiden Sicilien ausübten, z. Z. also des fünften Kreuzzuges — und in der Capella Palatina zu Palermo, aus welch letzterer der dort aufgestellte Kopf, ein Facsimile des Originals, herrührt, ebenso die reichen Mosaiken, von S. Marco zu Venedig und in den Domen zu Murano und Torcello sind grossenteils von byzantinischen Künstlern ausgeführt und stehen schon nicht mehr ganz auf der Höhe der ravennatischen.
Nicht uninteressant dürfte es Ihnen sein zu hören, dass das Mosaik in der Friedenskirche zu Potsdam aus dem Dome zu Murano herrührt. Es ist dort von den Wänden der Kuppel abgelöst, nachdem man die vordere Seite mit einer dicken Gypsschicbt überzogen hatte, dann in Stücke zerlegt und so hierher transportiert, worauf es in der umgekehrten Reihenfolge wieder angesetzt wurde.
Zu erwähnen sind noch aus der frühesten Periode die Mosaiken der von Justinian um die Mitte des sechsten Jahrhunderts erbauten Hagia Sophia zn Constantinopel, welche jetzt zu einer Moschee (Sophien- Moschee) umgewandelt und in welcher, da der Islam keine bildlichen Darstellungen zulässt, leider das Meiste zerstört ist und nur noch Reste erhalten geblieben sind, die aber solchen Reichtum in der Darstellung und einen so guten Geschmack in den Farben aufweisen, dass sie uns die einstige Pracht und Wirkung immerhin noch ahnen lassen.
Aus einer Kirche in Dafni bei Athen stammen die dort aufgestellten farbigen Kopien, die vor fünf oder sechs Jahren von Seiten des künstlerischen Leiters unseres Mosaikateliers, Herrn Ambrosi, aufgenommen sind, gelegentlich einer Renovation der alten Mosaiken, welche derselbe im Aufträge der griechischen Regierung auszuführen hatte.