Wagner, „Zur Geschichte und Technik des Mosaiks“.
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farbiges Glas zu monumentalem Schmuck verarbeitete, geschah es in Form von Glasgemälden, die in ihren ersten Anfängen auch nur als eine Art von Mosaiken zu betrachten sind, mit dem Unterschiede allerdings, dass die zur Herstellung der linearen oder figürlichen Darstellungen gebrauchten Glasstücke durchscheinend sind und statt des Mörtels durch Bleistreifen zusammengehalten werden. Auch die Glasmalerei, die Jahrhunderte lang ihre besten Erzeugnisse deutschen Künstlern verdankt, entschwand mit der Zeit so vollständig aus der Kenntnis ausübender Meister, dass sie vor einigen Jahrzehnten in Deutschland wiederum erfunden werden musste. Mit dem Wiedererwachen einer wahren künstlerischen Begeisterung, zu der nach den Befreiungskriegen der kunstsinnige Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. und der vom reinsten Idealismus beseelte König Ludwig I. von Bayern An- stoss und reiche Förderung gaben, gelangte die monumentale deutsche Kunst wieder zu hohen und gebührenden Ehren. Die Bauhütte am Kölner Dom wurde der Ausgangspunkt für einen neuen Aufschwung künstlerischen Schaffens auf deutschem Boden, und durch die „schönsten Thore der Welt“, wie Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1848 bei der Grundsteinlegung zum Weiterbau des Domes die Portale desselben bezeichnte, hielten bald die sämtlichen grossen und kleinen Schwesterkünste an der Hand der Architektur ihren Einzug. Glasgemälde, edles Schmiedewerk, Fresken und plastische Bildwerke, längst gekannt und längst vergessen, fanden wieder Verständnis und Geltung und fanden Künstler, die das Alte im Geiste der neuen Zeit belebten und von neuem hervörbrachten. Besonders die Frescomalerei entfaltete sich unter Cornelius, Overbeck, Deger, Schwind, Veit, Schadow, Steinle und anderen zu einer bis dahin nicht geahnten Blüte, und mit ihr und neben ihr trat auch die Notwendigkeit wiederum in Vordergrund, das farbige Material zum Schmuck der Wandflächen und die Mittel zur Befestigung desselben von Wind, Wetter, Staub und sonstigen widrigen Einflüssen unabhängig zu gestalten. Das Mosaik entsprang als logische Folge den künstlerischen Bedürfnissen der Gegenwart; es folgte der Glasmalerei und dem Fresco, wie die wohlentwickelte reife Frucht der frühlingsprächtigen Blüte.
Es war Anfang der 60 er Jahre, als Dr. Salviati in Venedig, in Gemeinschaft mit dem Glasmacher Radi in Murano, den Versuch unternahm, die Glasmosaikkunst wieder zu neuem Leben zu erwecken. Dem letztgenannten, Lorenzo Radi, war es durch langjährige, mühsame Versuche, die sich für ihn um so schwieriger gestalteten, als er nicht nur ohne hinreichende Mittel operierte, sondern nur seine Mussestunden und die Nächte diesen Arbeiten widmen konnte, (tagsüber musste er sich sein Brot als Maurer verdienen) gelungen, die Kunst der Zubereitung der Glasflüsse wieder aufzufinden.