Wagner, ,,Zur Geschichte und Technik des Mosaiks"'.
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diesem Ofen erschwerte und welche uns schliesslich auch zwang, einen gelernten Glasmacher zu engagieren, einen Herrn Heinz von der Zechliner Glashütte. Das eigentliche Mischen der Glasflüsse blieb trotzdem unsere Arbeit, da der Glasmacher nur den mechanischen Teil, das Verarbeiten der geschmolzenen Glasmasse vorzunehmen hatte, womit wir nicht fertig werden konnten, und wozu eine Gewöhnung von .Jugend auf gehört.
Die Fertigstellung dieses Christusbildes, welches Sie sich vielleicht erinnern in unseren Ausstellungsräumen gesehen zu haben, und welches wir ohne jode fremde Hilfe, ausschliesslich aus selbst geschmolzenem Farbenmaterial ausführten, gelang uns am Weihnachtsheiligenabend 1890; und die lebhafte Anerkennung, welche uns von seiten der Herren Direktoren des Kgl. Kunstgewerbe-Museums zu Teil wurde, Hess uns schon holten, dass nun das Schlimmste überstanden sei und dass uns auch bald Aufträge zu Teil werden würden.
Allein! ich kann wohl sagen, dass jetzt erst das eigentliche Kämpfen begann und dass wir sehr oft mit dem Gedanken umgingen „die ganze Glasmosaik über Bord zu werfen und uns einem praktischeren Berufe zuzuwenden.“
Ohne Mittel (was wir besassen und sogar mehr als das, hatten die kostspieligen Versuche verschlungen) ohne Aufträge, bewundern wir heute noch, dass wir die Sache nicht fallen gelassen haben.
Im Laufe des Jahres betrauten uns zwar einige Geschäftsfreunde mit der Herstellung mehrerer kleineu Mosaikeinlagen an Fassaden, so Baumeister Gause für das Bristolhotel, Architekt George für ein Haus in Charlottenburg und Zimmermeister Wilschke für ein solches in der Markgrafenstrasse, allein diese kleinen Arbeiten kosteten uns, wie wohl zu verstehen, selbst mehr, als wir dafür erhielten.
Erst im Frühjahr 1892 gelang es uns, durch die Übertragung einer grösseren Arbeit seitens der Firma Loeser & Wolff (Inschriften auf Goldgrund an deren Stammgeschäft Alexanderplatz) unsern Betrieb etwas lucrativer zu gestalten und durch das Engagement mehrerer vene- tianischer Mosaikisten Gelegenheit zu schaffen auch einen kleinen Stamm deutscher Kräfte in die Geheimnisse der Mosaikkunst einzuweihen und uns selbst entsprechend zu vervollkommen.
Bis dahin hatten wir, ohne irgend welche Verbindung mit Italien, und ohne je einen Einblick in eine dortige Werkstatt gethan zu haben, unsere Kunst vollkommen selbständig aufgebaut.
Dass wir nicht in jeder Beziehung auf der Höhe standen, und dass wir nachträglich manches von Italien gelernt, brauche ich daher wohl kaum zu erwähnen; aber dennoch können wir die Behauptung aufstellen, dass wir die Mosaikkunst für Deutschland gewissermassen neu erfunden haben.