Gescliichtl.-Medizinisches u. Chirurgisches aus Brandenb.-Preussen. 477
der grosse Kurfürst, wurde der Begründer eines stellenden Heeres, mit dem er, trotzdem es nur 2(5 (MX) Mann zählte, die glänzenden Siege bei Warschau und Fehrhellin erfocht. Auch die Sanitätseinrichtungen erfuhren unter ihm eine Veränderung. In jeder grösseren Garnison wurde, neben den gewöhnlichen Feldscherern, ein Garnison-Medicus und ein Garnison-Feldscherer zur Behandlung der innerlich und äusserlich Kranken eingesetzt. Da es Friedens-Lazarette noch nicht gab, mussten die erkrankten Soldaten in ihren Quartieren behandelt werden; Arzneien erhielten sie ans den nunmehr vom Staate unterhaltenen Medizinkästen. Im Fehle war der Armee ein Stabs-Medicus, ein Stabs-Feldscherer und ein Apotheker beigegeben, der einer sehr zahlreiche Medikamente enthaltenden Feld - Apotheke Vorstand. Ein Schriftsteller aus dieser Zeit (1(588—110) über das Feld-Medizinalwesen, dessen Mängel er namentlich schilderte, war Abraham a Gehema, ein polnischer Edelmann und Dr. der Medicin, der früher selbst gemeiner Soldat gewesen war und es bis zum Kapitän und Rittmeister gebracht hatte.
Während unter der folgenden Regierung des späteren Königs Friedrich I. das Militär-Sanitätswesen, trotz der Vergrösserung der Armee, ziemlich in derselben Verfassung verblieb wie bisher, war für das Civil-Medizinalwesen noch von dein grossen Kurfürsten ein wichtiger Schritt durch die im Jahre 1(585 erfolgte Errichtung einer Central-Medi- zinalbehörde, das Collegium me di cum *), geschehen, welchem die Aufsicht über das gesamte Heil- und Hilfs-Personal, die Prüfung der Ärzte, Wundärzte, Bader, Oculisten, Operateure, Steinschneider, Bruchärzte, Hebammen, Zahnbrecher, Apotheker, die Visitation der Apotheken u. s. w. übertragen war. Dasselbe entwarf 1694 eine Medizinal-Ordnung, in welcher die Amtspflichten des genannten Heilpersonals näher begrenzt waren und welche die Grundlage des Medizinal-Ediktes vom Jahre 1725 bildete, das der Ausgangspunkt der späteren Preussischen Medizinal- Verfassung wurde.
Wenn auch unter den Brandenburgischen Ärzten der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ausser etwa dem Frankfurter Anatomen Bernhard Al bin us, sich keiner befand, dessen Gedächtnis in der Wissenschaft fortlebt, so ist doch einer berühmten Hebamme, der Justine Siegemundin, geh. Dittrichen, zu gedenken, welche eine ganz auf ihre eigene vieljährige Erfahrung basierte, von der Frankfurter medizinischen Fakultät empfohlene, mehrfach aufgelegte und in’s Holländische übersetzte Schrift unter dem Titel: „Die Chur-Brandenburgische Hoff- Wehe-Mutter, das ist: ein höchst nöthiger Unterricht von schweren und unrecht stehenden Geburten, in einem Gespräch vorgestellet“, Cölln an der Spree 1690. 4, zuerst erschienen, hinterlassen hat.
*) Wilhelm Horn, Das Preussische Medizinalwesen. Tbl. 1. Berlin 1857. 8.1.