Heft 
(1898) 7
Seite
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Geschichtl.-Medizinisches u. Chirurgisches aus Brandenbi-Preussen. 479

Herzigkeit zu bezeichnen, vielleicht auch im Hinblick auf das gleich­namige Pariser Hospital. Durch diese verschiedenen Einrichtungen war also die Gelegenheit zu einer vollständigen medizinischen Ausbildung gegeben, obgleich bei der noch immer bestehenden Scheidung zwischen der Ausübung der Medizin und der Chirurgie, die Chirurgen, nament­lich auch die Compagnie - Feldscherer, fast ohne Ausnahme aus der Barbierstube hervorgingen, während die der inneren Medizin sich wid­menden Arzte oder Doktoren der Medizin vorzugsweise auf den Uni­versitäten (von denen zur damaligen Zeit nur Frankfurt a. 0., Halle und Königsberg zum Preussischen Staate gehörten) ausgebildet wurden. Ich unterlasse es, einzelne Namen der zum Teil nicht unbedeutenden, am Collegium inedico-chirurgicum wirkenden Lehrer anzuführen und bemerke nur, dass im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts zwei Herren der Deutschen Medizin, Friedrich Hoffmann und Georg Ernst Stahl, beide Professoren der 1694 gegründeten Universität Halle, nach ein­ander in Berlin als Leibärzte thätig waren.

Bald nach dem Beginn der Regierung Friedrichs des Grossen begann eine Periode der Kriege, welche die Thätigkeit der Feldärzte in hohem Grade in Anspruch nahm. Während bei den Truppen das Ver­hältnis zwischen den Regiments- und den Compagnie-Feldscherern ziem­lich dasselbe war, wie unter den vorigen Regierungen, bildete die Er­richtung von Garnison-Lazaretten einen wesentlichen Fortschritt in der Pflege der erkrankten Soldaten im Frieden. Aber auch für den Krieg wurden bessere Vorkehrungen durch Errichtung von Feldlazaretten getroffen, die, ausser mit einem hinreichenden Personal, mit den not­wendigsten Utensilien versehen waren und in grösseren Städten etabliert wurden, während ein Höpital ambulant die Armee bei Märschen und Schlachten begleitete. Freilich fehlte denselben noch manches, was ein notwendiger Bestandteil der heutigen Feldlazarette ist, z. B. Transport­mittel und mussten die bei den Compagnien befindlichen Provia nt wagen und requirierte Bauerwagen benutzt werden. Wie man sich unter Um­ständen zu helfen wusste, erzählt Schmucker *), erster General-Chirur- gus im 7 jährigen Kriege : Als nach der Schlacht bei Liegnitz keine Mög­lichkeit mehr war, 500 an den oberen Gliedmassen Verwundete fort­zuschaffen, musste, auf seinen Vorschlag, ein Dragoner-Regiment absitzen und diesen Leuten die Pferde geben. In der Zeit von einer halben Stunde sassen alle Verwundeten zu Pferde und die Dragoner marschierten neben­her. Am dritten Tage gelaugte man auf diese Weise mit den Verwun­deten nach Breslau. Eine andere Art von Transport, der für die Kranken und Verletzten der denkbar schonendste ist, nämlich der mittels der die deutschen Ströme befahrenden grossen Kähne, kam schon im

*) Job. Leber. Schmucker, Vermischte chirurgische Schriften. Bd. 1. S. 345,