Heft 
(1898) 7
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Geschichtl.-Medizinisches u. Chirurgisches aus Brandenb.. Preussen.

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gierung veranlasster Aufruf zu Geldsammlungen*) für Beschaffung von Ärmelmänteln für die Infanterie und von wollenen Überhosen für die Kavallerie. Da bereits mit den beiden verlorenen Schlachten von Jena und Auerstaedt (18. Oktober) die Entscheidung des Feldzuges eingetreten war, ist, trotz des guten Fortganges, den die Sammlungen hatten, kaum anzunehmen, dass den Truppen von dem Gewünschten irgend etwas zu- gekommeu sein mag. Auf die mit den geschlagenen Armeen nach allen Richtungen hin zerstreuten Verwundeten, deren Unterkunft und Be­handlung gehe ich nicht näher ein.

Im folgenden Jahre, 1807, trat in Königsberg, woselbst sich, wie wir gesehen haben, nach der Schlacht bei Eylau eine sehr beträchtliche Zahl von Verwundeten und Kranken befand, zum ersten Male das, was wir heute als freiwillige Kriegskrankenpflege durch Frauen be­zeichnen, in die Erscheinung, indem, unter den Augen der dort an­wesenden Königin Luise, Frauen aller Stände, darunter die bekannte Frau von Kriidener, sich der Unglücklichen thatkräftig annahmen. Eine andere Neuerung war, dass man zur Unterbringung der überaus zahlreichen Patienten sich genötigt gesehen hatte, hölzerne Lazarett- Baracken**) zu errichten, die zwei Geschosse besassen und eine be­trächtliche Anzahl von Patienten aufnehmen konnten. Baracken für Hospitalzwecke wurden übrigens um dieselbe Zeit und später auch an anderen Orten benutzt; eine der grössten Einrichtungen der Art war das Baracken-Lazarett auf der Pfingstweide in Frankfurt a. M., das für 1480 Kranke eingerichtet war und das Schicksal hatte, im Februar 1814 abzubrennen, wobei indessen, wie es scheint, ziemlich alle Insassen ge­rettet wurden.

Die Zeit von 18071813, welche für Preussen die traurigste war, die es je erlebt, in der aber, ausser der Regeneration der gesamten Ver­waltung, unter anderem auch die Errichtung der Berliner Universität stattfand, legte der Bevölkerung des von dem Eroberer ausgesogenen Landes grosse Opfer auf. Die durch deu Tilsiter Frieden auf 4 594 000 verringerte Einwohnerzahl des sehr verkleinerten Staates hatte reichlich eine Milliarde Franken Kriegskosten-Entschädigung aufbringen müssen und die Lasten und Schulden, welche durch den Krieg den einzelnen Provinzen in den nächsten Jahren erwachsen waren, wurden auf min­destens 310 Millionen Thaler veranschlagt***).

Nachdem Preussen im Jahre 1812, vermöge der ihm aufgezwungenen Bundesgenossenschaft mit Frankreich, im Kriege gegen Russland eine neue Schule des Leidens durchgemacht, das vorzugsweise die östlichen

*) E. Gurlt, Zur Geschichte u. s. w. a. a. O. S. 154.

**) E. Gurlt, Ebenda S. 168, 849. v. Langenbeck, v. Coier, Werner: Die transportable Lazareth-Baracke. 2. Auflage. Berlin 1890. S. 12 ff.

***) E. Gurlt, Zur Geschichte u. s, w. a. a. O. S. 178 ff.

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