20. (8. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.
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III. Führer durch die Sonderausstellung: Die Kunst auf dem Lande. Dieses Büchlein, verfaßt vorn Direktorial-Assistenten Herrn Dr. Peter Jessen lege ich vor, um zu einem Besuch dieser sehr interssanten, sich im ländlichen Heimatgebiet bewegenden Schaulegung im K. Kunstgewerbe-Museum innerhalb dieses Monats anzuregen. Aus der Provinz Brandenburg ist manches Bemerkenswerte vorhanden, z. B. Photographien, welche u. M. Robert Mielke von verschiedenen Bauernhaustypen gefertigt. Der Spreewald ist insbesondere ansprechend durch Trachten vertreten. Die eigenartige Ornamentik der Ostereier des Spreewaldes ist durch eine ausgiebige Sammlung des Märkischen Museums veranschaulicht. Daß Hamburg, Holstein, Nordfriesland u. a. nordische Laudesteile mit urwüchsigem Bauernkunstfleiß, reich vertreten sind, versteht sich von selbst. Das Beste hiervon hat das unter Justus Brinckmanns vortrefflicher Leitung stehende hamburgische Kunstgewerbemuseum geliefert.
IV. Auf der 9. Hauptversammlung des Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege am 14. Febr. 1905 ist manches vorgekommen, was die Heimatkunde angeht. Einen Lichtbildervortrag hielt bei dieser Gelegenheit u. M. Robert Mielke. Der Redner führte etwa folgendes aus: Das deutsche Dorf ist der für uns erkennbare Anfang politischer Geschichte in Deutschland. Aus ihm leiten sich zum Teil die städtischen Anlagen ab, welche in ihrer äußeren Gestalt noch vielfach an diesen Ursprung erinnern. Während sich aber die letzteren selbständig weiter entwickelt haben, blieb das Dorf in seiner äußeren Gestalt unberührt, weil seine wirtschaftlichen Grundlagen im wesentlichen unverändert weiter bestanden. Diese war eine durchaus künstlerische und schlichte, die durch den kulturstärkenden Einfluß der Bewohner als Bodenbesitzer und Erbgesessene und durch die Mitwirkung des Hofhandwerks bis vor wenigen Jahrzehnten von echt deutschem Geist durchdrungen war und sich in landschaftlichen Gruppen weit gegliedert hatte. Erst durch die wirtschaftliche Umwälzung des letzten Jahrhunderts und die sich anschließende Vormacht der großen Städte änderte sich das Bild des alten Dorfes ungünstig; denn man hatte nur städtische Formen vor Auge und vergessen, dass das Dorf eine durchaus selbständige Gemeinschaft war, die ihre künstlerische Gestaltung aus sich heraus entwickeln mußte. Diese wird bestimmt durch das Einfügen in das Landschaftsbild und durch die inneren Verhältnisse wie Straße, Haus, Anger, Kirche, Zaun, Baum u. a. An der Hand von 60 Lichtbildern, unter denen die Provinz Brandenburg mit Petersdorf bei Fürstenwalde, Ütz, Rogäsen, Pessin, Vehlow, Falkenrehde, Zützen bei Baruth, Wiepersdorf, Rüdnitz bei Krossen vertreten war, zeigte dann der Redner die vorbildlichen Formen des landschaftlich ausgebildeten Dorfes. Er ging von den westdeutschen Einzelhöfen