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20. (8. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.
eine neue Weltanschauung, die dem König fremd blieb, auf allen anderen Gebieten war der große König der führende Geist seines Zeitalters, das mit Recht nach ihm den Namen des Friderizianischen Zeitalters trägt. So nannte ihn Goethe treffend den „Polarstern, um den sich Deutschland, Europa, ja die Welt zu drehen schien“.
Schon in der ersten Woche seiner Regierung bemühte er sich, den einst ausgewiesenen Philosophen Wolft zurückzuberufen. Er schrieb deshalb an den Probst Reinbeck in Berlin: „Ein Mensch, der die Wahrheit sucht und sie liebet, muß unter aller menschlichen Gesellschaft wert gehalten werden, und glaube ich, daß Er ein Conquete im Lande der Wahrheit gemacht hat, wenn er den Wolff hierher persuadieret.“ Wolffs Philosophie zeichnete sich nicht durch Tiefe aus und ist wissenschaftlich durch Kant bald überholt worden. Aber sie wirkte durch ihre Gemeinverständlichkeit auf weitere Volkskreise ein, als es den Werken der Großen im Reiche der Wissenschaft, wenigstens für ihr eigenes Zeitalter, meist beschieden ist. Sie ging im Unterschied zu den religiösen Anschauungen der Orthodoxen und Pietisten von der Voraussetzung aus, daß die Menschen von Natur gut seien. Das Gute zu wollen sei in der Natur der Seele gegründet. Jeder natürliche Mensch wolle seine Pflicht tun; tue er sie nicht, so sei der Grund nicht Böswilligkeit, sondern Unwissenheit über das Gute und Böse und ihre Folgen. Sein oberstes Sittengesetz lautet: Tue, was dich und deine Mitmenschen vollkommener macht und unterlasse das Gegenteil. Der einzelne Mensch, argumentiert er weiter, könne aber seinen Zustand nicht vollkommner machen, die Gesellschaft sei für jeden einzelnen notwendig. Und so schließt sich sein zweiter Grundsatz an: Tue was die gemeine Wohlfahrt befördert und die gemeine Sicherheit erhält. So wird das gemeinützige Wirken gewissermaßen als der Lebenszweck jedes einzelnen hingestellt und der Weg zur Vollkommenheit, zur Seligkeit, zum Himmelreich über die Welt, über diese Erde geführt. An den Früchten, die jeder hier auf der Erde in gemeinnütziger Arbeit zur Reife bringt, wird seine Würdigkeit für den Himmel gemessen.
Auf diesen Grundsätzen beruht die Strömung der Aufklärung im achtzehnten Jahrhundert.
Die geistige Bildung, selbst die Religion erhält einen Zweck, gemeinnützig zu wirken, Tugend zu üben. Alle wollen sie von Natur üben, sie fehlen nur aus Unwissenheit. Was also not tut, ist Belehrung, Ausbildung des Verstandes. Wer seine Pflichten und den Segen der Pflichterfüllung weiß, der übt sie auch aus.
Wir wissen heute, zu welcher Übertreibung die einseitige Verstandesbildung der Aufklärer ausgeartet ist, wie sie die Phantasie mißachteten, die Kunst verkannten, die Religion verflachten, wie unsere Geistesheroen Kant, Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Schleiermacher