Heft 
(1905) 14
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gO 20. (8. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.

preußischen Güter, die ihm durch seine Gemahlin zugefallen waren, bis auch diese nach des Vaters Tode im Jahre 17G4 dem Sohne zufielen. Inzwischen war ihm 1762 der Rang als Rittmeister und die Würde eines Domherrn von Halberstadt übertragen, und in demselben Jahre wurde er zum Ritter des Johanniterordens geschlagen.

Aus dem nächsten Jahrzehnt wissen wir wenig über sein Leben. Er lebte mit seiner Gattin, wie er an Geliert schrieb, in glücklicher Eingezogenheit auf Reckahn, las viel, versuchte sich auch wohl hin und wieder im Dichten und übte Wohltätigkeit. Jahre hindurch sandte er an Geliert für ihn und seine Mutter, ob es Geliert auch verbat, Gaben der Liebe und Dankbarkeit zur Erleichterung des Lebens, und wenn Geliert ihm von armen Studierenden schrieb, schickte Rochow stets rasch und gern einen Beitrag zur Unterstützung. Hatte er sich doch schon früh die Regel aufgestellt, der Edelmann müsse seine Jahres­einnahme nicht in vier, sondern in fünf Quartale einteilen und das fünfte seines Standes wegen, eingedenk des Wortes noblesse oblige, für Arme und Unglückliche verwenden.

Seine nächste Sorge war die Verbesserung seiner Güter und des leiblichen und geistigen Wohles seiner Leute. Er verlegte das Bett der Plane, baute Dämme zum Schutz gegen Überschwemmungen, überwies seinen Tagelöhnern oder ihren Witwen Stücke seines Brachlandes zum Anbau von Kartoffeln, Rüben und Linsen, steuerte der Verarmung und Bettelei, erklärte den Landleuten die guten Absichten der Regie­rung bei ihren Plänen und legte ihnen besonders die Wichtigkeit des Schulzwanges dar.

Aber seine guten Absichten scheiterten an dem Widerstand der stumpfen Welt, an ihrem Unverstand. In Zeiten der Teurung wüteten verheerende Krankheiten unter seinen Leuten. Er nahm einen Arzt an gegen jährliches Gehalt, der sie frei behandeln und sie auch mit kosten­freier Medizin versehen sollte. Sie empfingen die Medizin, nahmen sie aber nicht ein, brauchten heimlich die verkehrtesten Mittel, liefen zu Quacksalbern, Wunderdoktoren, sogenannten klugen Frauen, Schäfern und Abdeckern, bezahlten dort reichlich und starben häufig dahin. Da wurde ihm klar und immer klarer, daß der Kampf mit der Dummheit der schwerste sei. Aber in fast schon verzweifelter Stimmung kam ihm, es war ein kritischer Tag erster Ordnung in seinem Leben, der 14. Februar 1772, der ihm seinen eigentlichen Beruf bestimmte wie zufällig ein rettender Gedanke.

Er saß an seinem Schreibtisch und zeichnete, so für sich hin, ohne etwas zu suchen, einen Löwen, der in einem Netze verwickelt daliegt. So, dacht ich, liegt auch, schrieb er später aus der Erinnerung,die edle, kräftige Gottesgabe Vernunft, die doch jeder Mensch hat, in ein Gewebe von Vorurteilen und Unsinn verstrickt, daß sie ihre Kräfte so