Heft 
(1905) 14
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20. (8. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.

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Halberstadt. Und als der Minister nicht helfen konnte, erreichte er endlich dennoch durch die Hilfe des Domkapitels auch dieses Ziel und fügte so seinen bisherigen Verdiensten ein neues, fast noch größeres hinzu. Er wurde ein beredter Anwalt für die Hebung des Volkslehrerstandes, für seine geeignete Ausbildung wie für seine standesgemäße Besoldung und für eine seinem idealen Berufe ent­sprechende Achtung und soziale Stellung. Er hat mit Aufwendung eigener Mittel das Gehalt seiner Lehrer wesentlich erhöht, und er hat, wie Büsching in seinem bekannten Buche über seine Reise nach Reckalm

hervorhebt, ihnen den Kantortitel beigelegt, die Lehrer mitSie an­geredet, und sie oft auch, wenn er Gäste bei sich gehabt hat, zu Tisch

geladen und sie auf jede Weise zu ehren gesucht.

Dahin gehört auch, daß er dem treuen Lehrer Bruns nach seinem frühen Tode in dem herrschaftlichen Garten einen Denkstein mit der schlichten aber bedeutungsvollen Inschrift errichtete:

II. J. Bruns. Er war ein Lehrer.

Rühmend hervorzuheben ist auch noch, daß er opferfreudig auf mehreren seiner Güter neue, für die damalige Zeit stattliche Schulhäuser erbaut hat. Das neue Schulhaus in Reckahn schmückte die sinnige, fromme Inschrift:

Lasset die Kindlein zu mir kommen.

Dankbar und bescheiden hat der rührige, gemeinnützige Edelmann empfunden und bezeugt, daß die Erfolge seiner Tätigkeit viel der fördernden Teilnahme des Ministers von Zedlitz zu danken gehabt hätten. Er freute sich ihrer aufrichtig um der Sache willen. Aber alle An­erkennungen und Ehren, die u r erfuhr, verwirrten nicht sein ruhiges, sicheres Urteil. Je mehr andere seine Schulen lobten, um so mehr be­achtete er die Mängel, die ihnen trotz aller seiner Bemühungen noch anhafteten. Seinem Ideale entsprachen sie immer noch nicht. Auch seine tüchtigen Lehrer behandelten ihm den Lehrstoff immer noch zu mechanisch, geschweige denn die Mehrzahl der Lehrer in anderen Schulen. Fast verzweifelnd rief er ihnen in einer seiner Schriften zu:O Papageien- tum, wie lange wird dein Regiment auf Erden noch dauern, und tief bekümmerte ihn die Sorge, und das zeigt den wahrhaft großen Pädagogen, daß durch den allzufrühen Bücherunterricht die Kinderseelen verkrüppeln möchten. Darum suchte er der Einschulung der Kinder vor Beginn des siebenten Lebensjahres zu steuern und warnte davor, in seinen Schulen bereits das Muster der Landschulen für die Zukunft zu suchen. Er habe, so schrieb er, nur von der Verwirklichung seines Ideals von Schulvollkommenheit deshalb noch Abstand nehmen müssen, weil er solche Lehrer zu finden oder zu bilden verzweifeln mußte, die die Landjugend in Feld und Wald führten, sie bei nützlicher Berufsarbeit richtig denken lehrten und durch die Natur anfänglich statt aller Bücher

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