Heft 
(1905) 14
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Der Birnbaum in der Volkskunde.

Von Elisabeth Lemke.

(Vortrag vom 23. November 1904).

Geehrte Anwesende, der wilde Birnbaum (es wird zunächst nur von diesem die Rede sein) ist uns ein lieber alter Geselle, den wir in unserm Landschaftsbilde nicht missen möchten. Meist vereinzelt steht er auf dem Felde, am Grenzrain oder in einer Waldlichtung: hoch gewachsen und malerisch geformt, mit seiner reichen Blütenpracht so recht ein Ausdruck lebensfreudiger Frühlingsstimmung.

Kein ursprünglich deutscher Name ist uns erhalten geblieben; doch wir können aus zahlreichen Nachrichten entnehmen, daß die sog. »Wald- Birnbäume 1 ) im germanischen Altertum eine besondere Bedeutung hatten. Viele von ihnen sollen von Verbreitern des Christentums veinichtet worden sein. Aechzend und krachend sind sie niedergestürzt vor dem Ansturm einer neuen Zeit. Wie stattlich und ehrwürdig auch solche Bäume da­standen, wie sehr besonders zur Frühlingszeit ihr Anblick zum Lobe ihres Schöpfers herausforderte, die eifrigen Sendboten, die sich so gern eins mit Gott wußten, kannten keine Gnade für die Heiligtümer in der Natur.

Auch spätere Bischöfe beteiligten sich an diesem Werk, da der heidnische Aberglaube uuentwegt an den Bäumen festhielt. Wohl beob­achtete man größte Heimlichkeit bei der Verehrung; doch die aufmerk­samen Seelsorger spürten ihr nach und wußten der Vernichtung solchen Nachdruck zu geben, daß noch vor etwa 50 Jahren Montanus 2 ) schreiben konnte:Zur Bezeichnung eines Abergläubischen hört man heute noch sprichwörtlich sagen, jemand glaube oder lasse sich aufbinden, daß unser lieber IleiTgott im Birnbaum sitze.

') A. Ritter von Perger, Deutsche Pflanzensagen. (1864). 327.

2 ) Montanus, Die deutschen Volksfeste, Volksbräuche usw. (1854). III, 158.

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