Heft 
(1905) 14
Seite
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Der Birnbaum in der Volkskunde.

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Dort wird es ausgefoehten, dort wird ein Blutbad sein,

Wie keinem noch die Sonne verliehen ihren Schein;

Da rinnen rothe Ströme die Wiesenrain entlang,

Da wird der Sieg den Guten, den Bösen Untergang.

Und wenn das Werk vollendet, dann deckt die Nacht es zu;

Die müden Streiter legen auf Leichen sich zur Ruh;

Und wenn der junge Morgen bescheint das Blutgefild,

Da wird am Birnbaum hangen ein blanker Wappenschild.

Nun sag ich Euch das Zeichen: Ihr wißt den Birnbaum dort;

Er trauert nun entehret, verstümmelt und verdorrt;

Schon dreimal abgehauen, schlug dreimal auch zuvor Er schon aus seiner Wurzel zum stolzen Stamm empor.

Wenn nun sein Stamm, der alte, zu treiben neu beginnt,

Und Saft im morschen Holze aufs Neu lebendig rinnt,

Und wenn den grünen Laubschmuck er wieder angethan,

Das ist das erste Zeichen: es reift die Zeit heran.

Und hat er seine Krone erneuert, dicht und breit,

So rückt heran bedrohlich die lang verheißne Zeit;

Und schmückt er sich mit Blüthen, so ist das Ende nah;

Und trägt er reife Früchte, so ist die Stunde da.

Der heuer ist gegangen zum Baum und ihn befragt,

Ilat wundersame Kunde betroffen ausgesagt;

Ihn wollte schier bedünken, als rege sich der Saft,

Und schwellten schon die Knospen mit jugendlicher Kraft.

Ob voll das Maaß der Sünde? Ob reifet ihre Saat Der Sichel schon entgegen? Ob die Erfüllung naht?

Ich will es nicht berufen, doch dünkt mich Eins wohl klar:

Es sind die Zeiten heuer gar ernst und sonderbar.

Im Jahre 1871 fiel der sagenumwobene Baum durch ruchlose Iland. Man hat ihm einen Nachfolger gegeben, über den ich unserer Vereinsschrift berichten will.)

') Zeitschr. des Vereins f. Volkskunde; 1900, 91 f.Der alte Birnbaum auf dem Felde des Dorfes Wals bei Salzburg fiel von ruchloser Hand wenige Wochen nach dem Friedensschlüsse, der am 10. Mai 1871 den großen deutsch-französischen Krieg ruhm­reich beendete. (Nach Prof. J. Sepp in der Beilage No. 74 der Allgemeinen Zeitung vom 15. Marz 1882 wäre der Birnbaum in der ersten Mainacht 1871 niedergehauen worden. Die Red.) Ober-Stabsarzt Dr. Heinrich Wallmann pflanzte einige Jahre später mit Hilfe und Unterstützung meines Vaters, des Irrenarztes und Salzburger Historikers I)r. Franz Valentin Zillner, einen wie man glaubte kräftigen Nachfolger und hatte zu diesem Zwecke ein kleines Landstück erworben, welches

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