Heft 
(1905) 14
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Der Birnbaum in der Volkskunde.

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mast vortrefflich. Außerdem pflegen unsere Landleute sie nach dem Abschütteln einige Tage auf der Erde liegen zu lassen um sie dann zu Backobst zu trocknen. Das Holz von diesem [Baum] wird für schöner und dauerhafter, als das von Gartenbirnstämmen gehalten.') Die Bienen sind hier sehr geschäftig.

Mithin gibt es da vielerlei zu loben. Besonders aber gefällt mir, was Otto Schmeil 2 ) schreibt:So lange der wilde Birnbaum jung ist und einen kleinen Strauch bildet, endigen die holzigen Zweige in scharfe, stehende Dornen, die eine vortreffliche Schutzwehr gegen Weidetiere bilden. Auch wenn sich der Strauch höher über den Boden erhebt, sind die Zweige etwa so weit, wie die größten Weidetiere die Rinder reichen können, stark bedornt. Darüber hinaus aber werden die Dornen immer seltener, bis sie endlich ganz verschwinden; ebenso fehlen sie an dem Baume, in den der Strauch allmählich übergeht. Der Stamm ist [nun] durch die harte, rissige Rinde wohl geschützt; und bis zur Krone vermögen [ja] die Weidetiere nicht emporzureichen. Der angebaute Birnbaum der im Schutze des Menschen steht, ist meist völlig dornenlos. Der Birnbaum verhält sich eben wie der Mensch, derin der Wildnis die Waffen nicht ans der Hand gibt, im sicheren Schutze der Städte dagegen sie ablegt. Wenn ein heftiger Wind weht, zeigt sich, daß der lange Blattstiel der das Blättchen schräg stellt, wodurch es von den Sonnenstrahlen am besten durchleuchtet wird noch eine zweite wichtige Bedeutung hat. Obgleich der Wind Ziegeln von den Dächern reißt und anderes Unheil anrichtet, spotten die zarten Blätter des Birn­baums zumeist seinem Toben: sobald sie von einem Windstoße getroffen werden, stellen sie sich vermöge der biegsamen Stiele wie eine Wetter­fahne in die Richtung des Windes, so daß der Anprall ohne Wirkung bleibt. Ist der Windstoß vorüber, so kehren sie da der Stiel zugleich elastisch ist in die ursprüngliche Lage zurück. Ein ebenso wichtiges Schutzmittel sind die elastischen Stiele gegen den Anprall schwerer Regentropfen. Trotzdem bedarf es aber einer gewissen Festigkeit, um von den Regentropfen nicht zerrissen oder durchschlagen zu werden; diese eidangt das Blatt durch das Gerüst der Adern oder Nerven, von

>) Leunis,Das Holz von jungen Bäumen ist fast ganz weiß, von älteren rötlichbraun, oft geflammt, fein, dicht und mäßig hart, mit undeutlichen Jahresringen. Wegen seiner gleichförmigen Textur läßt sich dasselbe leicht schneiden und zu Druck­formen und Bildhauerarbeiten, weniger zu Holzschnitten benutzen. Weil es schöne Politur annimmt und oft herrliche Masern hat, wird es von Drechslern und Tischlern benutzt. Meyers Konvers.-Lex. (1889).Das Holz des Birnbaums, namentlich des wilden, ist rötlich, hart, sehr politurfähig und bildet ein geschätztes Nutzholz, welches besonders zu Schnitzereien, musikalischen Instrumenten, Druckformen und Modellen benutzt wird. Das Holz von veredelten Bäumen ist in jeder Beziehung schlechter,

) Otto Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 6. Aufl. (1904). 85 f,