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Der Birnbaum in der Volkskunde. 59
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, —
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die gold’ne Herbsteszeit,
Und die Birnen 1 ) leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Thurme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: „'Junge, wiste ’ne Beer?“
Und kam ein Miidel, so rief er: „Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ik hebb ’ne Birn.“
So ging es viele Jahre, bis lobesam Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. War Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit.
Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab,
Legt mir eine Birne mit in’s Grab!“
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht Sangen: „Jesus, meine Zuversicht“,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
„Ilei is dod nu. Wer giwwt uns nu ’ne Beer?“
So klagten die Kinder. Das war nicht recht,
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge bewahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtrau’n gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er that,
Als um eine Birn’ in’s Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus Ein Birnenbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung’ über den Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: „Wiste ’ne Beer?“
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: „Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick geb’ dir ’ne Birn.“
So spendet Segen noch immer die Hand Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
') Aber jedenfalls nicht „wilde“.