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Der Birnbaum in der Volkskunde.
Höhe, sehr anspruchslos in jeder Beziehung, sehr reichtragend, meist klein und unansehnlich in der Frucht, die [so lange sie am Baum hängt] ungenießbar ist, daher auch die teure Bewachung während der Reifezeit erspart werden kann, — ein Straßenbaum, wie er nicht besser zu wünschen ist.“ 1 )
„Was am Niederrhein für den Haushalt das Apfelkraut, ist am Mittelrhein der Birnenhonig [dies ist kein Schreibfehler]. Die Frauen verfahren [mit den in ein grobes Tuch oder in einen Sack gesteckten Birnen, — es werden zur Honigkocherei immer nur die kleinen genommen —] genau so wie beim Wäsclieausringen. (Pr. R. 1894, 341.)“ 3 )
In vielen Gegenden sind gedörrte Birnen die Hauptsache oder doch ein unerläßlicher Teil des Festgebäcks. Daher heißt ein solches im Oberinntal „Biarazalta“, Birn-Zelte. 3 )
Die Nicolobirnen, Klötzen- (oder ßirn-) Brode in Bayern, sind eine Kultspeise, zu Ehren des h. Nicolaus, dieses Kinder liebenden Bischofs (auch Sannaklos und Niklö genannt), Patron der Schilfe und Erretter aus Wassersgefahr. 4 )
Wenn wir jener bei Saalfeld i. Thür, vorhanden gewesen sein sollenden alten, wilden Birnbäume gedenken, von denen i. J. 1665, gleich als sie geblüht hatten, an drei Tagen soviel Honig geflossen sein soll, daß sich ganze Pfützen bildeten und die Leute reichlich zu tun hatten, den Honig zu sammeln, (Perger) so gelangen wir nunmehr in das Gebiet, wo die Naturgeschichte aufhört und der wilde Birnbaum nicht nur wie ein harmloser Grenzwächter dasteht, sondern (wie auch wohl der veredelte Baum) in verschiedener Weise an allerlei Spuk unbegreiflichen Anteil hat.
*) Pr. R., 1889, 418. Birnenwein mit Hopfenextrakt. In der bairischen Umgegend des Bodensees. Berauschende Wirkung. — 1895, 69- J. Pierret-Bettingen ist zu der Überzeugung gekommen, daß sich aus guten [edlen] Birnen kein Birnenwein hersteilen läßt.
a ) Leunis. „Birnsaft, -sirup, -essig, -wein, -senf. — Aus den beim Essigbrauen übrigbleibenden Birnen wird in Thüringen ein fettes Öl gewonnen.
*) Zeitschr. d. Vereins f. Völkerkunde; 1897, 348 f. Christian Hauser, Der Heilige Abend in einem Dorfe Paznauns [Oberinntal]. „Das Hauptingrediens der Paz- nauner Krapfen sind gestampfte „Magen“ (Mohnkörner), zu denen noch weichgesottene und fein zerteilte gedörrte Birnen, Cibeben und Neugewürz kommen. Häufig fehlen die Birnen, seltener die Cibeben. — Mit feuerroten Wangen erzählten mir dann die Kleinen, wie heuer d. li. Nikolaus sie mit Kleidungsstücken, Schuhen und Strümpfen bedacht, dgl. jedem eine Schüssel voll Äpfeln und Birnen, Nüssen und gebratenen Kastanien eingelegt habe.“ — Das Wichtigste der Paznauner Weihnachtszelte (eine runde, scheibenartige Form mit mäßig erhobener Oberfläche) sind die in den Roggenteig gebrachten zerschnittenen, gedörrten Birnen, „weshalb diese Zelten in Paznaun vorzugsweise „Biarazalta“ genannt werden. Das Geschäft des Backens besorgt allgemein der Familienvater selbst.“
4 ) Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde; 1891, 292 f. M. Hoefler, Die Kalender- Heiligen als Krankheits-Patrone beim bayrischen Volk. (S. 304 )