Der Birnbaum in der Volkskunde.
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A. Ritter von Perger: „Unter dem Birnbaum bei Schwochow, Pommern, ist ein vom Teufel bewachter Schatz begraben, neben welchem ein feuriger Stiefel steht“; dem, der den Mut hat, diesen anzuziehen, muß der Schatz ausgeliefert werden. (Temme, 236.) Bis jetzt hatte niemand den Mut. — „Bei dem Holzbirnbaum zu Lobfing [wohl im Aargau] wohnte der böse Jäger Hoperli, der sich zuletzt an diesem Baume aufhing, worauf es dort umging: man sah dreibeinige Hasen, die Leute verirrten sich, und man beschloß, den Baum zu fällen. Aber Axt und Säge wurden stumpf; aus den angehackten Stellen floß Blut; und nur mit Hilfe eines Kapuziners war man imstande, den Baum zu zerstören. (Rochholz, Aarg. Sage 69.) — Zu Kahla in Thüringen wuchsen i. J. 1559 Birnen, die wie ein Türkenbund geformt waren; manche von ihnen waren unten von einer Art Wolle umgeben und zeigten beinahe menschliche Angesichter. (Prätor. 138.)* — „Die Hexen vermochten denen, die von ihnen gehaßt oder gefürchtet waren, durch Birnkerne und Birnbaumrinde Krankheiten anzuzaubern und mußten ihren Anfang in der Hexerei dadurch machen, daß sie Birnen in Mäuse verwandelten. — Legt man einen Zwergengiirtel um einen Birnbaum, so zerplatzt der Stamm; deswegen soll man jeden Gürtel, bevor mau ihn trägt, an einen Birnbaum legen. — Wenn es am St. Ulrichstag (4. Juli) regnet, so werden alle Birnen wurmstichig.“
Um einen Dieb zur Rückgabe der gestohlenen Sachen zu nötigen, soll man drei neue Hufnägel, die an einem Freitag gefertigt wurden, vor Sonnenaufgang (unter entsprechenden Beschwörungen) in einen Birnbaum schlagen. 1 )
Nicht nur auf Kreta dient der Birnbaum zu Hinweisen auf die Zukunft, — (dort werden mit Zeichen versehene Birnen in einen Krug geworfen 2 ) — sondern auch hier bei uns im Wendischen. „In der Sylvesternacht soll man au eine „wilde Holzbir ne“ gehen und von dort aus auf die fernen Geräusche achten, die je nachdem Sterben, Feuer und Diebstahl verkünden.“ (W. v. Schulenburg, a. a. O. 132.) „Angeblich geht man darum an die wilden Birnbäume, weil sie Schutz vor Kälte geben.“ (Ebd.)
Warum mitunter auf alten Gemälden — z. B. auf einem im hiesigen Museum befindlichen von Giovanni Bellini und auf einem ebendaselbst anzutreffenden eines unbekannten Künstlers von 1466 s ) — das Jesuskind statt des ihm so häufig und mit so vieler Symbolik zugewiesenen
*) Zeitsclir. d. Vereins f. Volkskunde; 1898, 310. K. Weinliold.
’ 1 ) Zeitsclir. d. Vereins t\ Volkskunde; 1902, 392 f. Albert Thumb, Zur neugriechischen Volkskunde. 8. 393. „Auf Kreta holt [zu Orakelspielen] ein Knabe das “H'V 0 ifipö ; als ay/iaSta werden Früchte (Birnen, Äpfel u. s. w.), die mit Zeichen versehen sind, in den Krug geworfen.“
3 ) Montanus, 213.