Heft 
(1905) 14
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Kleine Mitteilungen.

über uns hinbrausen läßt. Solch ein schlimmer Tag war insbesondere der 7. Oktober. An diesem litt vorzugsweis, von anderem Schaden abgesehen, unsere heimische Baumwelt. Entwurzelte Stämme, vom Wirbelwind heraus­gedrehte Kronen, Verstümmlung durch Verlust starker Äste, dies alles vielfach zu beklagen und im Walde zeigte sich der Boden noch lange nachher mit Tanger und kleinerem Reisig dicht bedeckt. Aber die Windsbraut kann Schläge vollführen, deren dröhnender Wiederhall weitere Kreise zitternd durchschauert; ein solcher hat am obengenannten Datum den Boden der uns benachbarten Grafschaft ltuppin erschüttert.

Zwei gewaltige Roßkastanien standen auf der dem Iluvenowsee zugewandten Terrasse von Schloß Meseberg, diesem wahrhaften Asyl urwüchsiger Dryaden. Sie hoben sich hervor gleich ausgezeichnet durch Höhe, Stammumfang und Enormität weitschattender Kronenbildung. Eine von ihnen hat aufgehört zu sein.

Diese Kastanien hatten schon in den siebziger Jahren durch Windbruch gelitten, denselben aber vermöge sorgsamer Pflege von seiten ihres Besitzers und seines trefflichen Obergärtners, des Herrn Schaaf, so gut wie ganz überwunden.

Man hatte sich gewöhnt, sie als eine Zierde der Gegend zu betrachten und wird daher den Verlust einer von ihnen, bei Paßbäumen doppelt em­pfindlich, schwel verschmerzen.

Die dergestalt entstandene Lücke erinnert außerdem an den Fall einer Riesen-Rottanne des Meseberger Parks, auch soll durch den gleichen der Kastanie jener schöne, durch Alter und Stärke seiner Insassen merkwürdige Laubengang, der, vom Herrensitz seewärts hinabführend, einen Teppich von Vinca überdacht, in Mitleidenschaft gezogen worden sein.

Mit Recht gilt solcher Baumwuchs als Zeugnis für die oft verkannte Triebkraft unseres märkischen Bodens. Um diese Meseberger Kastanien wehte überdein der Hauch der Geschichte. Sie waren die Überlebenden einer bedeutsamen Vergangenheit. Örtlicher Tradition zufolge, die ich aus dem Munde eines verehrten Freundes, des seligen Barons von Hövel auf Meseberg habe, entstammten sie der Pflanzeslust des Prinzen Heinrich, Bruders des großen Friedrichs, aus dessen freigebiger Hand einst Meseberg, Baumgarten, Rauschendorf und Schönermark in Kaphengstschen Besitz über­gegangen waren. Möge, nach Durchmessung einer bewegten Vergangenheit, die allein noch übrig gebliebene Riesenkastanie, vom Lufthaucher verschont, einer sekulären Zukunft entgegengehend, fortfahren den gigantischen Schatten auf die Gewässer des Iluvenovv zu werfen. Des Schutzes und der Pflege ihres gegenwärtigen Besitzers, des jüngeren Herrn Lessing, darf man sich wohl ohne weiteres für versichert halten. Carl Bolle.

Eine Vorahnung des heutigen Telegraphenverkehrs findet sich bereits in einem vom Abbe Barthelemy, dem Verfasser der berühmtenReise des jungen Anacharsis in Griechenland, an die Marquise Du Deffand im August 1772 gerichteten Briefe. In diesem schreibt Barthdlemy:Während Sie sich über unser Stillschweigen beklagen, sprachen wir oft von Ihnen; es gab ja so vieles, das uns an Sie erinnerte. Ich denke auch oft an ein