Heft 
(1905) 14
Seite
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98 Per Grabfund von Seddin als Schlüssel zum Verständnis der Sprache Europas.

sondern auch der Ortsname mir Kunde von dem Erdverborgenen gäbe. Die Sagen von Seddin waren längst bekannt und ich sagte mehrere Jahre vor Friedeis berühmter Entdeckung: Kommt hier ein intakter Fund zu Tage, so muß Leichenbrand des Grabhügels Inhalt sein. Ward ich gefragt, woher ich das wissen wolle, so lautete meine Antwort Seddin bedeutet ursprünglich: Wohnung oder Haus eines oder mehrerer Toten, der oder die mit Feuer oder noch korrekter mit Schwälfeuer verbrannt ist oder sind.

Wenn ich dann noch hinzu setzte: das ist gutes Deutch, dann bekam ich schnurrige Gesichter zu sehen und Antworten zu hören.

Jetzt haben Sie mir die Bestätigung erbracht, und es gereicht mir zur Freude, Ihnen zeigen zu dürfen, wie Sie diesenredenden Fund als Schlüssel zum Verständnis der europäischen Sprache benutzen können. Ich schließe hier alle fremden Sprachen aus und dazu die Sprachmischungen, bei denen Asiaten Teile des Europäischen übernommen haben, also in erster Linie alles das, was wir gemeinhin mit dem sehr falsch angewandten deutschen Wortslavisch zu benennen gewohnt sind.

Der Plan dieses Vortrages bedingt noch eine andere Einschränkung, nämlich den Verzicht auf die Erörterung von einigen Sinnlaut = Ver­bindungen, die wir ebenso wie ganz heterogene mit dem Buchstaben L und auch M bezeichnen. Dazu reicht meine Zeit nicht aus, icli kann da hier nur Andeutungen machen und muß mich au die feste Marsch­route halten.

Was ist und woraus besteht und entsteht menschliche Sprache?

Menschliche Sprache ist eine- erworbene Eigenschaft des Gehirns, auch bei Taubstummen, deren bewußte oder unbewußte, gewollte oder ungewollte Folge Wirkung das Sprechen ist.

Als Ganzes betrachtet ist sie die Subsummation einer großen Reihe von Spannungserscheinungen, die ich Sinnlaute oder Ideophone nenne (bis mir jemand einen besseren Ausdruck gibt).

Die Spannungserscheinungen mit ihren biomechanischen, bio­physischen und zweifelsohne auch biochemischen Umlagerungen bezw. Veränderungen der Gehirnmolekel entstehen, sobald mindestens zwei oder mehr Sinnesleitungen (Perceptiven) sich im Gehirn mit einem inneren oder äußeren Geräusch assoziieren. Die Entladung dieser Spannungen erfolgt einmal durch jene biomechanische Umlagerung, kurz Veränderung, die wir G edächtnis nennen und sodann durch die motorischen Nerven, die, uns bewußt oder unbewußt, die Sprechwerkzeuge in Be­wegung setzen.

Wie unser Körper eine Synbiose von Zellenrepubliken oft höchst rebellischen Demokratien ist, so zerfällt auch die herrschende