Heft 
(1905) 14
Seite
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112 Der Grabfund von Seddin als Schlüssel zum Verständnis der Sprache Europas.

bezeichnet und zwar sowohl Naturgebilde wie Menschengebilde. Ein Entstandenes ist primitiver Denkweise unfaßbar, sie kennt nur etwas Gemachtes. Überwiegend bedeutet diu, tiu, tun, dün, dön, ten (letztere Formen unverstandenerweise kurz gesprochen), besonders im sog. Kelt- germanisck eine Befestigung als etwas das von Menschen, als Eigen, als Haus oder Wolinplatz gemacht oder geschaffen ist. Wie sollen wir demnach die Laute oder die Buchstaben teilen, um die Partikeln als Sinn­laute zu erkennen?

Unmittelbar durch Kinderbeobachtung gegeben ist uns von den drei Wortteilen nur N und durch sie auch warum es in allen ursprünglichen Worten mit Elementarnotwendigkeit stets eine Verneinung enthält. N ist vielleicht das einzige echte Säuglings wort, dessen Möglichkeit von Wilhelm Wundt mit Unrecht bestritten ist. N ist ein vollkommenes Wort, das eine energische Willensäußerung bewußt zum Ausdruck bringt ein echtes Ideophon, das heute wie vordem stets neu erzeugt wird.

Bietet die Mutterliebe dem Säugling ihre gute-Gabe, gr. ägape, so saugt er bis er satt ist. Die Mutterliebe bezweifelt das und wieder­holt unter Anwendung zarter Gewalt ihren Liebesbeweis der im Griechischen infolgedessen sowohlLiebe in ihrer heiligsten Form wie Mahlzeit bedeutet.

Ist der Säugling gesättigt, so wehrt er sich bewußt mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote stehen. Er zieht sein ärgerlichstes Gesicht und macht ne Flabbene Schupp mit breit gezogenem Mund und vorgestreckter Unterlippe. Seinen Mund aber schließt er inwendig, indem er die Zunge mit aller Kraft gegen den Vordergaumen drückt. Dabei bringt er nach Maßgabe seiner Lungenkraft, weil ihm weiter nichts übrig bleibt, durch die Nase einen Laut hervor, nämlich ein N.

Sobald der Säugling freigegeben ist, nimmt sein Gesicht den ge­wöhnlichen Ausdruck wieder an. Ist nach etlichen Wiederholungen der Säugling inne geworden, daß dieses Mittel hilft, so fängt er schon im ersten halben Jahre an, dasselbe zu wiederholen bei allem, was ihm unangenehm ist, wenn dieses nicht Weinen auslöst.

Das N heißt zunächst: ich will nicht mehr Milch und steigert sich, vom Säugling und der Mutter gleichmäßig verstanden, zu einem: ich will nicht. Daher sein Charakter als Negative in der Sprache.

Etwas später wird das Gegenteil von diesem N nämlich das M hörbar.

Reizt der Appetit das Kind nicht zum Weinen, so deutet es ihn dadurch an, daß es seine Lippen in die Saugestellung bringt. Das ist besonders zu beobachten, wenn die Ernähruugstätigkeit nach Stillung des stärksten Bedürfnisses unterbrochen wird. Je nach der Körperkraft früher oder später wird vom Kinde dem ein Laut hinzugefügt. Die Saugestellung bedingt mit Notwendigkeit einen M-laut mit schwachem