Der Grabfund von Seddin als Schlüssel zum Verständnis der Sprache Europas. 125

die flache Knolle in Scheibengestalt ab. Die Reibung oberhalb der Knolle, die nicht zu vermeiden ist, ergibt einen knirschenden R - laut, der Schlag ap, ac und at. Das Elementarwort Rad oder Rat ist die Bezeichnung für den sogenannten Scheibenschaber. Sie hat sich, abgelöst von dem Urbegriff, in der Sprache für alles was rund ist und auch für „Rad“, erhalten.

Soweit Sie auch auf diesem Wege in der Wiederauffindung von Elementarworten kommen mögen — Sie werden keines finden, das mit einer Negation verbunden einen Sinn und zwar den feststehenden Sinn gibt. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als dall wir es mit dem Ruktus versuchen.

Wer nun aber nicht an die Askese in einfachen Associationen zu denken durch rigorose Selbstbeherrschung gewohnt ist, wird hier bei grollen Schatz an Vokalen und Geräuschen und der Fülle von Perspek­tiven, die sich ihm hier auftut, sehr leicht auf ganz falsche Wege ge­raten. Schon die Selbstbeobachtung hat große Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, daß jemand, der nicht sogenanntes „Vorhören“ bei ge­nügender Schulung gehabt hat, hier leicht vorwärts kommt, wenn man ihn nicht auf einige gangbar gemachte Pfade führt. Ich wähle hier einen derselben auf den wir bei „borg“ und „reich“ zurückmüssen: auf den Ruktus als behaglichen Sättigungslaut, dem stets das Gefühl von Ruhe innewolmt.

Also: „Über allen Wipfeln ist Iluli“.

Das war auch schon vor Goethe der Fall, wenn der sattgegessene Homo europaeus aus einer Höhle herabschaute.

Skandinavisch heißt das Wort Ro, mittelniederdeutsch ebenso, z. B. in dem Imperativ Roland! (wie Vredeland). So heißt auch das dem Menschen ungefährliche Nahrungstier Ro im englischen. Im dänischen heißt es Rä mit dem echten Ruktuslaut (Stoßlaut), im deutschen heißt es Reh, das Weibchen heißt Rike (falsch gesprochen mit kurzem i). Wir haben aber noch ein Wort im Deutschen Re die Leiche vgl. Rebrett Totenbrett. Re-röw = Leichenraub (man denke an das „nescio ad quos perversos usus“ der holsteinischen Visio Godescalci!) ist in der Rechtspraclie zu Raubmord geworden. Im Altnordischen haben wir einen Hrä-svelgr der in Leichen schwelgt. Wenn wir nun noch Ortsnamen wie Rastatt und ähnliches hinzunehmen, so haben wir die Skala der Vokale voll­ständig.

Nun kann ein Mensch bei dem Ruktus nicht mit voller Sicherheit wissen, wenn er sein Entstehen fühlt, ob wirklich ein R oder ein L geformt wird. Unterdrückt der Wille den aus dem Munde hervorbrechen wollenden Schall, so vernimmt das innere Gehör bald L bald R, bald beides hintereinander LR und RL. Die inneren Leitungen berühren offenbar mehrere Zellen einer Provinz.