Der Grabfund von Seddin als Schlüssel zum Verständnis der Sprache Europas. 137
geistigen Fäden sammelt, vor der Urzeit bis in die Zukunft. Was aber ist das Bleibende, das Eine in diesem bunten Wechsel der Erscheinungen? Das Reale Wirkliche, das allem diesem zu schaffen zu Grunde liegt: das ist Golt, das ewige Leben.
Das Ewige das Eine,
Das Alles wird und ist,
In Deiner Seele alleine Sich selber voll ermißt.
Da wird es Kind Dich nennen,
Wie Du es Vater heißt;
Dein Beten wird Erkennen In Wahrheit und im Geist.
An der Diskussion nach diesem Vortrage beteiligten sich besonders Herr Professor Dr. Oppert und Herr Dr. Rawitz. Von dem letzteren ist folgendes Referat über seine Bemerkungen eingegangen.
Die Differenz zwischen den beiden Herren Vorrednern dürfte darauf zurückzuführen sein, daß der Herr Vortragende uns die wahrscheinliche Entstehung der Sprache im allgemeinen geschildert hat, während der Herr Interpellant auf die Struktur der bereits fertigen Sprachen eingegangen ist. Beides muß aber scharf auseinander gehalten werden. Ich glaube, der Herr Vortragende hat das Richtige getroffen, wenn er als Moment für die Sprachentstehung die äusseren Sinnesreize in Anspruch nimmt. Die Sprache bestand zunächst aus Lauten, die als Empfindungsäusserungen zu bezeichnen wären, weil sie immer nur auf eine bestimmte Empfindung, also auf einen Sinnesreiz erfolgten. Erst nach Objektivierung der Laute, nach ihrem Loslösen von dem entsprechenden Reiz, wurden die Laute aus Empfindungsäusserungen: Empfindungszeichen (Bleck, Schleicher).
Wenn vorhin davon gesprochen wurde, daß andere Nationen, andere Rassen darum anders sprechen, weil sie anders denken, wenn also das Primäre, Bedingende im Gedanken, das Sekundäre, Bedingte in der Sprache gefunden wird, so muß ich bekennen, daß ich gerade der entgegengesetzten Meinung bin. Meiner Auffassung nach ist erst das Empfindungszeichen (Wort, Empfindungsäußerung\ dann erst das Denken, d. h. der Begriff' vorhanden. Indessen würde es mich zu weit führen, dies näher auseinanderzusetzen.
Wenn vorhin ferner davon gesprochen wurde, daß die Sexualität der Sprachen — Unterscheidung der Dinge durch das Geschlecht — ein Zeichen höherer Entwicklung sei, so will ich daran erinnern, daß nach Bleck die Sprache der Hottentotten trotz ihrer geringen Entwick-