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Vom Handwerksbrauch der Leinenweber.
Die Eintragungen reichen bis 1818; als spätere mir eine einzige:
Carl Otto Müller, Gebohren Dienstag d. 16. Juli Abends l / 4 7 Uhr 1850, gestorben den 2. Januar 1851 früh 8 Uhr.
Eine Heirat aus der Familie Gartz in die Miillersche brachte Postille und Stammbuch in den Besitz der letzteren.
Aus dem mitgeteilteu Beispiel ist der kulturhistorische und familiengeschichtliche Wert derartiger Aufzeichnungen zu ersehen. Wo solche zu erlangen wären, sollten sie als Material für event. weitere Bearbeitung gesammelt und veröffentlicht werden. Leider wird in den Familien zumeist wenig Wert auf diese Dinge gelegt, die nur allzuhäufig als altes Papier beseitigt oder den Kindern zum Zeitvertreib, gleichbedeutend mit Zerstörung, überlassen werden.
Vom Handwerksbrauch der Leinen weher.
(Ein Bruchstück.)
Wenn der „fromme“*) Lehrbursche, gemeinhin auch Lehrjunge oder Lehrknecht genannt, seine Lehrzeit ausgestanden hatte und unter den alt- überlieferten Gebräuchen zum Gesellen gemacht worden war, dann ging er auf die Wanderschaft. Das Kanzel geschnürt, den dicken | Kuotenstock, den frommen Ziegenhainer in der Faust, so wanderte er sorglos dahin auf der HeerstraUe,^die den Gesellen aus der „geschenkten“ Brüderschaft nach den Orten führte, wo er sicher war, das Geschenk oder Arbeit zu finden. Das Geschenk war kein Almosen; es wurde aus der' Büchse der Zunft, meist aus der Gesellenbüchse entnommen und bestand nicht aus dem ansehnlichen Geldgeschenk allein; Nachtlager und freie Zeche gehörte dazu. Alles nach altem Handwerksbrauch unter Rede und Gegenrede in vorgeschriebener Stellung und mit bestimmten Geberden vor Meister oder Altgesellen in der Bruderschafts-Morgensprache auf der Herberge gewährt. Verließ der Geselle den Ort, um weiterzuziehen, weil er keine Arbeit fand, so bekam er wohl auch noch ein Zehrgeld mit, denn er sollte auch unterwegs keine Not leiden, wenn er an ungeschenktem Orte übernachten mußte. So konnte er sorglos wandern, gern in Gesellschaft, denn die Wege waren unsicher und der
*) „Fromm“ war Vieles in der löblichen Gilde der Leinenweber, ihre Zunft und Bruderschaft nannte sieb mit Vorliebe die fromme, sie kamen am Montage (dem blauen) zur frommen Morgenspraehe, die freilich meist bis 9 oder 10 Uhr abends, zeitweilig auch viel länger währte, zusammen, wobei des frommen Bieres nicht geschont wurde und fromme Meister und Gesellen fromme Lieder sangen, die nicht gerade durchweg frommen Inhalts waren.