Heft 
(1905) 14
Seite
223
Einzelbild herunterladen

23. (9. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.

223

XVIII. Ein Aufruf des Ausschusses für die Sammlung und Erhaltung alter Bürgerhäuser, unterz. Stadtbaurat Schaumann- Frankfurt a. M., bestimmt zum 5. Tag für Denkmalpflege, sei hiermit vorgelegt, desgl.

XIX. Eine Denkschrift im Aufträge des vom 5. Tag für Denkmal­pflege eingesetzten AusschussesDie Sammlung und Erhaltung alter Bürgerhäuser, bearbeitet und mit vielen ansprechenden Abbildungen ausgestattet durch Stadtbauinspektor O. Stiehl-Berlin. Daß das Bürger­haus fast noch mehr des Schutzes bedarf als das ländliche Haus, kann nicht eindringlich genug gesagt werden. Namentlich die deutschen Mittelstädte sind in dieser Beziehung von einer unheimlichen Vernich­tungswut beseelt.

Hier können nun die leitenden großen Architekten außerordentlich vieles tun, das Wortgroßen in jedem Sinne gebraucht, einmal mit Rücksicht auf die künstlerisch führenden Größen, besonders aber auch von den großen ßaufirmen, als Bauunternehmern.

XX. Neben den Städten und Dörfern wollen in der Gegen­wart aber auch bekanntlich die Bürger zu ihrem Recht kommen, da nun auch die kirchlichen Bauwerke geschützt werden, so sehen wir den Kulturschutz jetzt über die vier Stände des Mittelalters, die Geistlichkeit, den Adel, die Bürgerschaft und das Landvolk ausgedehnt. So lege ich Ihnen gern die No. 5 (Februar 1905) Jalirg. VI. des Burgwarts, Zeit­schrift für Burgenkunde und mittelalterliche Baukunst, Organ der Ver­einigung zur Erhaltung deutscher Burgen, vor. Nichts ist schändlicher behandelt worden, als die Burgen, diese ragenden Zeichen einer glän­zenden Periode des Adels.Burg und Ruine ist noch jetzt fast für die meisten ein und dasselbe.

Es ist nun ein großes Verdienst dieser Vereinigung, für Erhaltung und Wiederherstellung der Burgen zu sorgen, insbesondere aber auch deren kul­turgeschichtliche Bedeutung dem deutschen Volke klar zu machen, das nur zu gern mittelalterlichen Adel mit Raubrittertum, Unterdrückung des Land­volks, grober Unwissenheit und Roheit in Beziehung bringt. Lesen Sie aber S. 48 den Vortrag, den Dr. Luther am 4. Januar dieses Jahres über das geistige Leben auf den deutschen Burgen hielt, so werden Sie einen besseren und richtigeren Begriff vom Leben und Treiben des Feudaladels auf den deutschen Ritterburgen erhalten. In langen Perioden der deut­schen Geschichte kommt dem burgbewohnenden Ritterstande überhaupt die führende Rolle auf geistigem Gebiete zu, vergleiche die Blütezeit der deutschen Dichtung mit den Epen und Minneliedern eines Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Walter von der Vogel weide, und ferner die Freskomalereien im Hessenhofe zu Schmalkalden, auf Burg Runkelstein bei Bozen, auf Karlstein in Böhmen, Lichtenberg in Tirol, Freundsberg, Reifenstein und ungezählten anderen Burgen,