23. (9. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.
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einer Stange angebrachten, drehbaren hölzernen Roland-Figur vorüber, derselben einen Schlag versetzend, worauf dieselbe sich umdreht und dem Schläger mit einem am Handgelenk angebundenen Aschenbeutel einen Schlag wieder- giebt, wenn es demselben nicht gelungen ist, rechtzeitig aus dem Bereich des wacklichen hölzernen Strafrichters zu kommen. Wenn nun auch diese Reiterspiele in der Regel keinen Anspruch darauf haben als eine schneidige kavalleristische Leistung angesehen zu werden, was schon wegen der zur Verwendung kommenden schweren Acker- und Arbeits-Pferde undenkbar ist, so ist doch eine gewisse Gewandheit des Reiters erforderlich, dem sich auf der Stange drehenden Roland einen Schlag zu versetzen, ohne von diesem mit dem Aschenbeutcl wieder getroffen zu werden; um diese Geschicklichkeit zu erlangen, mühen sich die Reiter ehrlich ab und amüsieren sich prächtig dabei, desgleichen wirkt die Sache für das zuschauende Publikum belustigend.
Die Verschiedenheit dieser Ditmarsischen Reiterspiele (Roland-Reiten) mit der sonstigen Roland-Auffassung und den aus Ueberlieferungen uns bekannt gewordenen Gebräuchen und der ursprünglichen Bedeutung des Roland, die uns zunächst auffällt, läßt sich meines Erachtens dadurch aufklären, anzunehmen, daß die Ditrnarscher sehr wohl in der Roland-Figur zunächst auch das Symbol der Gerichtsbarkeit, der aufsichtführenden Gerechtigkeit und strafenden Nemesis erblickten, daß sie dann später in ihrem Freiheitsdrang und Übermut dazu übergingen, sich über die personifizierte Obrigkeit lustig zu machen. Die Spottlust und die weit verbreitete menschliche Neigung der Polizeigewalt ein Schnippchen zu schlagen — meine ich — äußert sich in diesem Spiel.
Die Roland-Figuren werden meistens auf den Kirchen- oder Schul-Böden aufbewahrt, oder von dem Wirt, bei dessen Lokalitäten das Roland-Reiten stattfindet, von einem Jahr zum andern in Aufbewahrung genommen.
Den Altona-Gardinger Roland konnte ich Ostern 1904 betrachten, und hoffe, ihn sowie den steinernen Kaiser Karl, Roland von Wedel, bei Hamburg zu Ostern d. J. wieder aufsuchen zu können. Vergl. u. a. meinen Berichtsjahrgang XIII. S. 4G4.
XL. Coepenick und Niemegk. U. M. Oberlehrer Dr. Rudolf Grupp sprach im Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg am 8. d.M. über die falschen Schlüsse, die aus der Annahme slawischer Herkunft märkischer Ortsnamen hervorgegangen seien, und behauptete, nach dem Ihnen heut vorliegenden gedruckten Sitzungsbericht, daß Köppenick und Niemeck z. B. nicht vom slawischen copan und njemu, sondern von den deutschen Personennamen Koppen und Neming ihre Namen führten, da ihre älteren Formen Koppening und Neming lauteten und die Köppenicksche Heide urkundlich einfach Koppensclie Heide genannt wird.
Es ist ein überaus gefährliches Kapitel, diese Namensdeutung aus uralter Überlieferung, gleichviel, ob sie auf keltischem, germanischem, slavischem oder sonst welchem linguistischem Gebiete erfolgt. Es wäre
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