Heft 
(1905) 14
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23. (9. ordentliche) Versammlung' des XIII. Vereinsjahres.

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eine bewegte Vergangenheit und ein unruhiges Wanderleben hinter sich, das ihn nach einander nach Florenz, Paris, Metz, Diedenhofen, St. Quentin, Hoidelberg und Dresden geführt hatte, und in dessen Verlaufe er 1560 zum evangelischen Bekenntnisse übergetreten war. Nach Vollendung der Peitzer Fortilikation trat er 1578 53jährig in den unmittelbaren Dienst des Kurfürsten Johann Georg mit dem Wohnsitze in Spandau und wurde zum Generalobeist der Artillerie, Munitions-, Zeug- und Baumeister ernannt. Die noch heute stehende gewaltige Kaserne in der Hauptstraße war sein von ihm selbst erbautes Haus. Überall ver­besserte er die Festungswerke in der Mark, in der er ein großes Festungsviereck plante und zum Teil vollendete: Peitz, Küstrin, Herzberg, Spandau; er verminderte die Länge der Geschützrohre, errichtete in Zehdenick an der oberen Havel eine Eisengießerei sowie in Spandau eine Pulvermühle. Dem Berliner Schlosse fügte er den nach ihm be­nannten Lynarschen Bau hinzu, erbaute die Schlösser im Grunewald und in Bötzow und zog Goldschmiede aus Spanien, Instrumentenmacher aus Süddentschland uud Salinentechniker aus der Schweiz herbei. Der Ruf seiner Tüchtigkeit drang auch in das Ausland, sodaß der König von Frankreich trotz Lynars Religionswechsels ihn wieder für sich zu gewinnen suchte und der Großherzog von Toskana ihm sein verfallenes Schloß Linari wieder aufbauen wollte, wenn er zu ihm nach Florenz käme.

Er erlebte nicht die Vollendung des gewaltigen Kunstwerkes, das seinen Namen in der Nicolaikirche von Spandau verewigt, des 9 Meter hohen nach ihm benannten Altars mit zahllosen Skulpturen und Por­träts sowie den beiden großen Gemälden vom Abendmahl und vom Weltgericht. Er starb 1596; sein Sohn erwarb die Herrschaft Lübbenau, wo noch heute die ältere gräfliche Linie seines Hauses blüht, während die jüngere, seit 1807 fürstliche, in Lindenau bei Hoyerswerda residiert.

Die nächsten Nachfolger des Grafen Rochus als Baumeister waren sämtlich wieder Italiener: an seine Stelle trat zunächst Pietro Nivrone aus Lugano, der Schöpfer der Schloßapotheke; Battista de Sala er­richtete an der Stelle der heutigen Adlersäule auf der Schloßterasse einen Turm, der unten die Münze, oben eine Wasserkunst enthielt; Thaddäus Voglioni, zunächst durch die Grafen von Schulenburg für den Bau ihres Schlosses nach Lieberose berufen, erbaute Rathaus und Be­festigungen in Frankfurt a. 0.; Filippo di Chiese endlich, der General­direktor der Fortifikation, vollendete die Berliner Befestigung auf der schwierigeren, der köllnischen Seite, wo die fast seenartig verbreiterte Spree den Baugrund versumpft hatte.

Erheblich später als das Geschlecht der Lynar finden wir die Fa­milie der Minutoli, gleichfalls ans Oberitalien stammend, im preußischen Dienste, wo sie vor allen auch durch ihren Kunstsinn sich einen blei-