Heft 
(1905) 14
Seite
280
Einzelbild herunterladen

280

3. (1. ^ordentliche; und Haupt-Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

15. Neues über das Heilige Blut zu Wilsnack in der West- Prignitz. Das Heilige Blut zu Wilsnack und die böhmischen Büßer. Einer Mitteilung des Herrn Franz Wilhelm zu Pilsen ^Tot­schlagsühnen und Kreuzsteinurkunden aus dem nordwestlichen Böhmen. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Kulturgeschichte (Festschrift aus Anlaß des zehnjährigen Bestandes des Vereines für österr. Volkskunde. Wien 1904, S. 223) entnehme ich folgende für die Mark Brandenburg inter­essante Angaben vom Jahr 1400 aus dem Duxer Stadtbuche:

Vor uns seyn kommen zu gehegte bank niklos und hans sein Bruder, des Wanke Jubancz söne, czu der zeit gesessen zu Lausch, und haben do mit guten willen rechenscliaft gelobt Mathisen und Thomas sein bruder, auch zu Lausch, von des todschlages wegen ires bruders und haben gelobt zu tun eyne Bomfart und eyne ochfart*) und zu dem heylygen blute eine fart. Wo sie das nicht tun täten in zweyhen jahren, und das überwinden würden, des haben sie sich verwillkürt bei dem Halse und wo sie keine drohe täten in und allen ihren freunden der Stadt oder unseres herrn leute, das sie des halses sullen vervallen sein und sullen keine wonige haben uf unsers hern güter, noch uf den der münche bei eyner meylen.

Die Fahrt zu dem Heiligen Blut oder dem Wunderblut von Wilsnack war also damals noch im Schwange, sie geschah zu den heiligen drei Hostien, die nach dem Brande der Kirche 1383 angeblich uuversehrt gefunden wurden. Die Prager Synode vom Jahre 1405 verbot diese Fahrten. Johann Huß, der 1403 vom Prager Erzbischof nach Wilsnack geschickt wurde, hatte dies Verbot in einer eigenen Schrift verteidigt. Eine Magdeburger Provinzial-Synode von 1412 erklärte das Benehmen der Wilsnacker Geistlichkeit für Betrug. Dagegen ver­lautbarte Pabst Nikolaus V. 1453 seinen Glauben an das Wunderblut. Am 28. Mai 1552 verbrannte der erste evangelische Pfarrer der Stadt, Joachim Ellefeld, die Wunderhostien und von da ab finden wir auch keine Wallfahrten dahin mehr verordnet, während früher für einen und denselben Totschlag zwei, ja selbst drei Wallfahrten vorgeschrieben worden sind. Wenn man die damalige Verhältnissen berücksichtigt, erscheinen drei Bußfahrten nach Rom, Aachen und Wilsnack innerhalb zweier Jahren als eine sehr harte Sühne.

Ich benutze die Gelegenheit daran zu erinnern, daß wir innerhalb Berlins noch eine Erinnerung an die Wallfahrt zum Heiligen Blut in Wilsnack haben, welche wohl nur wenigen in der Brandenburgia be­kannt sein dürfte. Es ist das die jetzige Müllerstraße, welche in ihrem früheren unregulierten und etwas unregelmäßig verlaufenden Zuge und in der Fortsetzung nach Tegel im Mittelalter und noch auf späteren alten Urkundender Heilige Blutsweg genannt wird, die alte Landstraße über Ruppin nach der Prignitz.

*) ochfart bedeutet eine Wallfahrt nach Aachen, zu den Reliquien im dortigen Dom.