Issue 
(1905) 14
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Kleine Mitteilungen.

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Kleine Mitteilungen.

Irrlichter und Aufhocker. Es ist nicht selten, daß in derselben Ge­gend, wo das Volk Irrlichter, Lüchtermünnchen u. dcrgl. sieht, auch die Auf- hockcr, meist (aber nicht immer) weibliche, hausen. Beliebt sind Brücken, wo die alte Frau ächzend und wimmernd mit der schweren Kiepe steht und den Wanderer bittet, ihr die schwere Last auf den Kücken zu helfen. Kaum hat er sich gutmütig gebückt, um dies zu tun, so sitzt ihm die Alte schon auf der Schulter, schnürt ihm mit den Knochenhänden die Gurgel zu bis er sich in Bewegung setzt und die immer schwerer werdende Aufhockerin mühsam fortschleppt. Schon will er der Last erliegen, da schwindet beim Anblick der Kirche oder beim Kreuzweg der nächtliche Unhold, und der fast zu Tode Geängstigte ist befreit. Ein Seitenstück zum nächtlichen Alb, der den Schlafenden nicht minder entsetzlich peinigt.

Von einem männlichen Au fhoc ker erfuhren bei der Pflegschafts­fahrt des Märkischen Museumz am 25. September 1904 in der Gegend des ansehnlichen Kitterguts Steinhöfel im Lebuser Kreise. Bei der südöstlich des Dorfes liegenden Hohen Brücke spukt es. Überhaupt ist die östliche Nachbarschaft verrufen; auf dem Wege nach Demnitz zu liegt das unheim­liche Teu felsb ruch. Früher zogen sich zwischen dem waldigen Hoch­plateau tiefe finstere Schluchten hin, welche mit Wasser ausgefüllt waren. Über eine derselben führte die Hohe Brücke, welche eigentlich gar keine hohe mehr genannt werden kann, seit dem sie mit der neuen Chaussee in in einer Ebene liegt. Der Wald hat dem Ackerbau fast überall hier Platz gemacht und das Wasser ist so gut wie verschwunden, wenigstens war diesmal, allerdings nach langer Dürre, der Wasserlauf unter der Brücke völlig versiegt. 1892 wurde die alte hölzerne durch eine eiserne Brücke ersetzt, an welcher links vom Dorf aus eine gußeiserne Platte mit folgender Inschrift angebracht ist:

Unebner Weg ward hier zum graden,

Nicht Irrlicht und nicht Spukgesicht Solln Wandrer Dir mehr schaden.

Hohe Brücke. Renoviert 1892.

Es ist interessant, daß sogar die Person des Aufhockers, der au der Hohen Brücke sein Unwesen trieb, bekannt ist. Die Sache hängt mit einer Gewalttat zusammen, welche einer der Gutsherren begangen. Es ist der Oberstleutnant Balthasar Dietloff von Wulffen, geboren 1669 und in der mittelalterlichen aus Feldsteinen erbauten Steinhöfeler Kirche 1726 be­erdigt, wo ein mit Waffen reich geschmücktes Epitaphium an der linken Wand das farbige Brustbild des Kriegsmannes aufweist.

Nach Theodor Fontane: Das Oderland, S. 159, war Wulffen ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn. Er unterhielt große, eingefriedigte Wald­strecken, in denen Wild gehegt wurde. Im Dorf aber lebte ein alter Schäfer, der ein ebenso leidenschaftlicher Sackpfeifer wie sein Herr ein Nimrod war.