Heft 
(1905) 14
Seite
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Die künstlichen Baustoffe Berlin.

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des preußischen Staates wieder die Ansicht, daß die Niederlande als die Ursprungsstätte und Heimat des nordischen Backziegelbaues anzu­sprechen sind.

Der Streit wogte, nachdem auch andere Gelehrte sich mit der Be­handlung der Frage beschäftigt hatten, lange Zeit hin und her. Neuer­dings hat sich Stiehl in seinem vortrefflichen Werke über denBack­steinbau romanischer Zeit besonders in Oberitalien und Norddeutschland der Frage von neuem angenommen, und er ist zu dem Ergebnis ge­kommen, daß der norddeutsche Backziegelbau seinen Ursprung un­zweifelhaft in Oberitalien zu suchen hat. Es ist anzunehmen, daß diese Anschauungen zutreffend sind, da die von Stiehl aufgeführten Gründe die innigen Beziehungen zwischen dem norddeutschen und oberitalienischen Backziegelbau auf das Deutlichste erkennen lassen, wennschon selbst­verständlich auch Stiehls Arbeit nur einen Indizien-Beweis darstellt.

Wenn man die Backziegelbauten Berlins verstehen will, so kann man dies nur, wenn man nicht nur die Reichshauptstadt, sondern das ganze norddeutsche Flachland mit in Betracht zieht. Wir finden hier Bauten dev verschiedensten Zeiten vor. Diejenigen der romanischen Zeit hat, wie angegeben, Stiehl zusammengestellt und bearbeitet.

Bekanntlich zeichnet sich der romanische Stil dadurch aus, daß er vorzugsweise an Gotteshäusern zur Anwendung gekommen ist. Gerade nach Kirchen war damals ein besonderes Bedürfnis, und da die Kunst hauptsächlich in den Klöstern gepflegt wurde, zeigt uns naturgemäß der Kirchenbau den romanischen Stiel in bester Entwicklung. Überall finden wir den Rundbogen vertreten, und wir sehen ferner, als dem romanischen Stil angehörig, immer wieder an den Kirchen die Timme, von denen zwei als Glockentürme an dem westlichen Ende des Lang­schiffes dem Ganzen eingegliedert sind, während zwei kleinere rechts und links neben der Hauptkuppel stehen. Für das Ornament ist die einheimische Pflanzenwelt beim romanischen Stil wenig vorbildlich ge­wesen, dagegen sind mythologische Gestalten reichlich verwendet. Beliebte Zierraten waren das Treppen- und das Zickzack-Muster, sowie das Flächen- und Schachbrettmuster. Die romanischen Bauten sind durchweg von malerischer Wirkung, machen aber doch einen etwas massigen Eindruck.

Es folgte später die Zeit der Kreuzzüge, und unter ihrem Einflüsse entwickelte sich zunächst im nördlichen Frankreich der Spitzbogenstil, der sich von Frankreich aus unter dem Namen gotischer Stil weiter verbreitete, namentlich auch über Deutschland. Er herrschte hier in den Jahren 12501500. Seine Entwicklung aus dem romanischen Stil war bedingt durch die Aufnahme des orientalischen Spitzbogens und. die da­durch hervorgerufene Fortentwicklung des Gewölbebaues.. Derr Spitz­bogen ermöglichte die Überwölbung rechtwinkliger und ungleichgroßer