Heft 
(1905) 14
Seite
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Die künstlichen Baustoffe Berlins.

oval gebauter Brennofen, den das Feuer in horizontaler Richtung durch­streicht. Die Formlinge werden in den Ofenkanal eingesetzt nnd hier von dem fortschreitenden Feuer angewännt und vorgeschmaucht; als­dann kommen sie in das Vorfeuer und die Vollglut, und schließlich kühlen sie wieder ab, um ausgefahren zu werden. Der Hauptwert dieses Ringofens, der seinen Brennstoff durch Öffnungen in der Decke des Ge­wölbes enthält, besteht darin, daß das Feuer in ihm, falls nicht besondere Umstände eintreten, nicht zum Erlöschen kommt, sondern ständig seinen Weg im Ofenkanal herum fortsetzt. Die Bauart der Ringöfen, so ein­fach sie an und für sich zu sein scheint, ist ziemlich verwickelt, nnd zahlreiche Abänderungen, besonders zum Brennen von Verblend- nnd Dachziegeln, machen selbst dem gewiegtesten Ofenkonstrnkteur häufig genug Schwierigkeiten.

Sind die Ziegel fertig gebrannt, so werden sie aus dem Ofen aus- gekarrt und kommen zum Verkauf.

Seit einigen Jahren haben die Tonziegel eine lebhafte Konkurrenz durch eine Steinsorte erhalten, die man als Kalksandsteine bezeichnet. Es wird Ihnen bekannt sein, daß es Gesteine gibt, die zum größten Teile aus Sand bestehen, dem als Bindemittel Kieselsäure, Ton, Kalk und dergl. beigesellt ist. Man hat versucht, diese Steine künstlich nachzubilden, und bei den Kalksandsteinen ist dies in vorzüglicher Weise gelungen. Wie schon der Name besagt, bestehen die Kalksand­steine aus Kalk und Sand. Ihre Verwendung ist längst bekannt, denn schon die alten Römer haben solche hergestellt, indem sie 1 Teil gepulverten Kalkes mit 2 Teilen Sand und Steinabfällen vermischten nnd daraus Steine formten, die der freien Luft so lange ausgesetzt wurden, bis sie hart waren. Tn der Schweiz und in Norddeutschland verwandte man schon seit langen Jahren Kalksandsteine, die meistens in der Weise hergestellt wurden, daß man eine Mischung aus 4 Teilen Kalk, 1 Teil Zement und 15 Teilen Sand mit der Presse zu Formlingen verpresste und letztere an der freien Luft erhärten ließ.

Eine Massenerzeugung konnte aus dieser Herstellungsweise aber nie hervorgehen, weil der hohe Zusatz an Kalk zu kostspielig wird und der Tonziegel sich daher immer billiger stellt, als der Kalksandstein. Ganz anders wurde die Sache, als Dr. Michaelis im Jahre 1880 zeigte, daß man mit einem viel geringeren Kalkzusatze auskommt und dabei noch den Vorteil genießt, daß die mehrere Monate dauernde Lufterhärtung ganz fortfällt, wenn man an ihre Stelle eine beschleunigte Ei härtungs­weise im hochgespannten Dampfe eintreten läßt, die eine Härtung der Formlinge in 512 Stunden ermöglicht. Damit war der Weg zum Großbetriebe geebnet, und wir haben jetzt in Deutschland schon rund 180 Kalksandsteinfabriken, die jährlich mindestens 800 Millionen Kalk­sandsteine liefern.