Heft 
(1905) 14
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7. (5. außerordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

Schahs von Persien im Schloß Bellevue.Nach der Abreise des Besuches sah es im Schloß aus wie in Jerusalem nach der Zerstörung. Nie sah ich Ähnliches. Alles war so zu gründe gerichtet, daß die Königin gezwungen war, fast das ganze Haus neu auf bauen zu lassen. So be­richtet die Markgräfin von Bayreuth, Friedrichs des Großen Schwester in ihren Memoiren, in denen sie von dem Aufenthalt des russischen Kaisers recht ergötzliche Einzelheiten zu erzählen weiß. Auch der Baron v. Pöllnitz spricht in seinen Erinnerungen (1791 Bd. 2 S. 65 f.) von dem von den Fremden geübten Vandalismus.

Friedlicher ging es ungefähr hundert Jahre später hier zu. Damals bewohnte den größeren Südflügel des Vordergebäudes der Bruder der Königin Luise, Herzog Karl von Mecklenburg - Strelitz. Er war 1815 eingezogen und blieb bis zu seinem Tode 1837 Bewohner. Er war ein Mann von vielen künstlerischen Interessen und besaß in ungewöhnlichem Maße die Gabe scbauspieleiischer Darstellung. Er und der damalige Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm IV, waren besondere Verehrer von Goethes damals noch allzu wenig gekanntem Faust (s. darüber Zelters Brief an Goethe vom 9. Mai 1816) und wünschten, das Drama auf der Bühne dargestellt zu sehen. Da das Unternehmen für ein ständiges berufsmäßiges Theater zu jener Zeit geradezu frevelhaft erschien, entschlossen sie sich, es mit Hülfe von Künstlern und zugleich halb dilettantisch durchzuführen. Jahrelange Versuche und Bemühungen, partielle Darstellungen gingen der Hauptaufführung voran. Sie fand endlich im Schlosse Monbijou am 24. Mai 1820 statt. Der Herzog spielte selbst den Mephisto, Pius Alexander Wolff den Faust, Madame Stich das Gretchen. Die Musik war vom Fürsten Radziwill komponiert.

Dies war die erste bühnenmäßige Verkörperung des Weltdramas. Erst neun Jahre später wagte der Intendant des Braunschweiger Theaters, Klingemann, dem Wunsch seines Herzogs nach einer Aufführung auf der Bühne nachzukommen. Am 19. Januar 1829 ging der erste Teil desFaust zum ersten Mal über die Bretter, die die Welt bedeuten, mehr als zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen. Jetzt erst war das Wunderwerk für das Theater erobert.

Über die eingehenden Vorbereitungen zu der Darstellung im Schlosse Monbijou, die Proben, die Aufführung selbst berichtet Zelter eingehend und interessant in seinen Briefen an Goethe. (Die prächtige Korre­spondenz der beiden Freunde ist kürzlich bei Reclam erschienen und jedem zugänglich.) Uber die Hauptaufführung schreibt er an den Dichter:Denkst Du Dir nun den Kreis dazu, in dem dies alles vor­geht: einen Prinzen als Mephisto, unseru ersten Schauspieler als Faust, unsere erste Schauspielerin als Gretchen, einen Fürsten als Komponisten, einen wirklich guten König mit seinen jüngsten Kindern und ganzem Hofe, eine Kapelle erster Art, wie man sie findet und endlich einen