Heft 
(1905) 14
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11. (3. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

maurischen Könige ihrem Oberherrn darbrachten, und sagte dem Könige, daß Marsilies Christ werden wolle und sich schon vorbereite, ins Franken­reich zn Karl zu kommen, um dort bei diesem die Taufe zu empfangen, und daß er dann Spanien vom Könige Karl zu Lehen empfangen wolle. Karl schenkte den Worten Ganelons Glauben und schickte sich an, die Pässe der Pyrenäen zu übersteigen. Ganelon aber gab ihm ferner den Rat, er solle seinem Neffen Roland und dem Grafen Oliver den Nachtrab übergeben, daß diese mit zwanzigtansend Streitern im Tale Ronceval die Wache hielten, bis Karl und das ganze Frankenheer wohlbenalten hinübergekommen seien. So geschah es. Aber einige aus dem Heere der Christen überliessen sich zügellosem Leben und allerlei Aus­schweifungen, und dafür mußten sie bald den Tod erleiden

Während Karl mit Ganelon und dem Erzbischof Turpin und vielen Tausenden der christlichen Streiter die Pässe überstieg, hielten Roland und Oliver mit ihren zwanzigtausend Kriegern treue Wacht. Aber in der Frühe eines Morgens stiegen Marsilies und Beligand mit fünfzig­tausend Kriegern von den Hügeln und aus den Schluchten, wo sie sich auf Ganelons Rat zwei Tage und zwei Nächte lang verborgen gehalten hatten. Sie machten zwei Haufen, den einen von zwanzigtausend und den anderen von dreißigtausend Kriegern, und als der größere Haufe noch zurück war, griff der kleinere Haufe die Franken sofort im RiicSn an. Diese aber wandten sich und kämpften so wacker, daß nach der dritten Stunde auch nicht ein einziger von den zwanzigtausend Mauren noch am Leben war. Aber unterdessen waren auch die andern heran­gekommen, und die ermatteten Franken mußten wieder aufs neue gegen sie kämpfen. Da fielen sie vom Größten bis zum Geringsten, einige durch den Speer, andere durch das Schwert, andere durch die Streitaxt und wiederum andere durch Pfeile und Wurfspieße; einige auch wurden lebendig geschunden, andere verbrannt und andere an Bäumen auf­gehängt. Darauf zogen sich die Mauren eine Strecke zurück.

' Roland aber war noch nicht gefallen; als die Heiden sich zurück­gezogen hatten, forschte er nach, wie es init den Seinen stünde. Da erblickte er einen Mauren, der kampfesmüde sich in den Wald zurück­gezogen hatte und dort ausruhte. Sogleich ergriff ihn Roland lebendig und band ihn mit vier starken Stricken an einen Baum. Dann stieg er auf eine Anhöhe, um sich nach den Feinden umzusehen, und als er er­kannt hatte, daß ihrer viele in der Nähe waren, stieß er in sein ge­waltiges Horn, um die Franken zu rufen, welche etwa noch leben und sich verloren haben möchten. Da versammelten sich ungefähr hundert um ihn, und mit diesen stieg er wieder hinab ins Tal Ronceval. Als er zu dem Mauren kam, den er vorher gefesselt hatte, band er ihn los und erhob die entblößte Klinge seines Schwertes über das Haupt des Mauren und sprach zu ihm:Wenn du jetzt mit mir kommst und mir den Mar-