Heft 
(1905) 14
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11. (3. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres. 43g

silies zeigst, so sollst du das Leben behalten; wenn aber nicht, so mußt du sterben. Damals aber kannte Roland den Marsilies noch nicht. So ging denn der Maure voran, und Roland folgte ihm, und der Maure zeigte ihm bald in der Ferne in den Reihen der Mauren den Marsilies, der auf einen Rotfuchs saß und seinen runden Schild schwang. Da ließ Roland seinen Gefangenen entweichen; er betete zu Gott und stürzte sich dann mit seiner kleinen Schar auf die Mauren. Einer von diesen kam zu ihm heran, der war größer und stärker als die anderen; aber Roland faßte sein Schwert und spaltete ihn mit einem Hiebe vom Scheitel an, also daß rechts und links vom Pferde ein halber Maure niedersank. Da erfaßte Schrecken die andern, sie eilten davon und ließen Marsilies mit wenigen Begleitern dort allein im Felde. Roland aber vertraute auf Gott und die Kraft seines Armes und drang in die Reihen der Mauren, gerade auf den Marsilies zu. Der begann zu fliehen; aber Roland er­reichte ihn und schlug ihn mit starker Iland, also daß auch Marsilies hinfiel und starb wie die andern Mauren.

Aber unterdessen waren die hundert Begleiter Rolands, die vom Frankenheere noch übrig waren, alle gefallen, und Roland selbst war von vier Speeren und außerdem von Steinwürfen hart verletzt, und nur mit Mühe gelang es ihm zu entkommen. König Karl aber war mit seinem Heere schon über die Spitze der Berge hinüber und wußte nichts von dem, was in seinem Rücken geschah. Da irrte der gewaltige Held Roland, kampfesmüde und tiefbekümmert um den Untergang eines so herrlichen Heeres und so vieler Christen, einsam umher und kam bis an den Fuß des Berges, welchen er nicht mehr zu übersteigen vermochte. Dort stand ein Baum neben einem Marmorstein, der da im Thale Ronce- val errichtet war, und neben dem sprang Roland vom Pferde und über­dachte sein Geschick. Noch hatte er sein Schwert Durenda, das herr­liche und leuchtende, von kostbarer Arbeit, scharf zugleich und stark, das nur Rolands Arm mit rechter Kraft schwingen konnte. Den Namen Durenda aber hatte es von seinen harten Schlägen. Dies Schwert zog Roland aus der Scheide, betrachtete es eine Weile, und mit weinenden Augen sprach er alsdann:0 du herrliches, immerdar leuchtendes Schwert, du bist geziert mit einer elfenbeinernen Koppel und mit einem goldenen Kreuze, du trägst den Namen Gottes eingegraben auf deiner Klinge, du bist mit aller Tugend eines Schwertes begabt. Wer aber soll von nun an dich führen im Streite? Die Mauren sind durch dich von meinem Arme gefällt, und so oft ich einen der Ungläubigen niederschlug, gedachte ich dabei an Gott und Christum und an seinen Willen. Nun aber werden die Ungläubigen selbst dich hinwegnehmen, und du w r irst ihnen dienen müssen. Als Roland diese Worte sprach, schmerzte es ihn so tief, daß er das Schwert auf dem Marmorstein zerschlagen wollte. Aber das Schwert spaltete den Felsen und zerbrach doch nicht. Drei-