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442 11. (3. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.
auf dem Markt vergraben wurden. Dies in unbestimmter Form überlieferte Vergraben wurde je länger je geheimnisvoller, und daraus ist die Siewert’scbe Mythe schließlich hervorgegangen. E. Friedei.
XXV. Herr Willibald von Schulenburg, unser gelehrtes Ehrenmitglied teilt uns nachfolgende interessanten Beiträge zum deutschen Volksglauben mit.
Kloster Lehnin und die kirchliche Baumverehrung.
Nach der Mitteilung des Böhmen Pulcava, die er einer branden- burgischen Chronik entnahm (Fontane), wmrde Kloster Lehnin von Markgraf Otto I. an der Stelle gegründet, wo ihn unter einer Eiche im Traume ein Alttier bedrängt hatte. Diesem Kloster gab er den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirschkuh im Slavischen.
Die ganze Erzählung von der Gründung an der Stelle der Eiche, weil der Markgraf dort den Traum hatte, erscheint als Sage, als Tatsache indes, daß an jener Stelle eine Eiche wuchs, dieselbe, deren Stumpf man noch jetzt in der Kirche sieht vor den Steinfliesen vorm Hauptaltar.
Bei den Germanen war Gottesdienst an heiligen Bäumen, besonders der Eiche üblich; auch bei Slaven. Diese Verehrung klingt noch in Sagen christlicher Zeit. Die Kirche knüpfte an das Vorhandene an, um die Geister leichter in den neuen Glauben hinüberzuleiten. So weiß Bader (Badische Landesgeschichte, 1846, 36) zu berichten, daß in den Tagen des heiligen Pirmin (starb 753) es „viele Kirchen gab, wo das Bild des Gekreuzigten neben dem Götzenbilde des Wodan hing.“ Bayerische Sagen berichten öfter, daß man ehedem Bilder der Mutter Gottes von einem Baume wegnahm und in einer Kirche aufhing, das Bild aber wieder verschwand und an der alten Stelle sich vorfand. So, um ein Beispiel anzuführen, ist die Kapelle Schwarzlack bei Brannenburg in Oberbayern berühmt durch ein älteres Marienbild. Wo sie steht, war früher Sumpf. Dort fand man vordem jenes Bild auf einem Baumstamm. In die Kirche nach Brannenburg gebracht, kehrte es immer wieder an die alte Stelle zurück. Dann baute man ebenda die wundertätige Kapelle. Auch das Holz herum im Walde, sagt man, ist gesegnet, die Bäume wachsen schneller als sonstwo. Man ersieht daraus, wie die Kirche der alten Verehrung nachgeben mußte. Noch heute gibt es Kapellen, in deren Innern von der Gründung her ein Baumstamm oder das Teilstück eines solchen aufbewahrt wird. Ich selbst habe zwei derartige Kapellen kennen gelernt; die eine in Badenscheuern bei Baden-Baden. In dem jetzigen Neubau sieht man ein grösseres Stück von einem mächtigen Eichstamm seitwärts au der Wand aufgestellt. In der alten Kapelle aber kam dieser Eichstamm hinter dem Hochaltar. Nach der Sage drang