11. (3. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.
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in der „Weiten Welt“ vom 28. Juli 1905 eine entsprechende Beschreibung der herrlichen Michaeliskirche zu Hildesheim und in No. 23 von 1905 der „Gartenlaube“ S. 407 flg. über kunstvolle Taschenuhren.
XXXVIII. Vortrag des Fräulein Dr. Hedwig Michaelson, Dozentin an der Humboldt-Akademie: Neueste Architektur in Berlin und Umgegend.
Unsere moderne Architektur zeigt zwei Richtungen: eine eklektische, die die historischen Formen neuzubeleben sucht und daneben die Züge einer eigengearteten, neuen Kunst.
Es ist bezeichnend, daß die überlieferten Stilarten besonders in unseren öffentlichen Bauten Anwendung finden. Für den Marstall, Dom, das Kaiser Friedrich-Museum war die Spätrenaissance in Anlehnung an das Schlütersche Königliche Schloß maßgebend; aber auch sonst könnte man diese fast als „Regierungsstil“ bezeichnen, da sie auch für Reichstag, Abgeordneten- und Herrenhaus vorbildlich war.
Einen ungeahnten Aufschwung zeigen vor allem die städtischen Neubauten, seit der verstorbene Oberbürgermeister Zelle bei der Amtseinführung des jetzigen Stadtbaurats Hoffmann den „Seitensprung ins Künstlerische“ befürwortete. Hier war der rechte Mann an den rechten Platz gestellt. In den schier zahllosen städtischen Schulen, Krankenhäusern, Badeanstalten, Brücken usw. beherrscht Hoffmann alle Stile mit Souveränität, sei es, daß er die märkische Backsteingotik oder das italienische oder niederländische Barock nenbelebt. Besonders reizvoll ist die Fülle beziehungsreicher, oft humorvoller Ornamentik, die an die launige Art alter, deutscher Werkmeister gemahnt.
Als Meister von fast überschwänglichem Reichtum der Erfindung zeigt sich Otto Schmalz im Land-und Amtsgericht I, Ecke Gruner- und Neue Friedrichstraße. Schade, daß dieser wahrhaft geniale Monumentalbau an dieser unwürdigen Stelle verborgen liegt! — übrigens ein typischer Fall, wie wenig solche Prachtbauten für die Schönheit unserer Stadt als Gesamtbild ausgenutzt werden. Im ganzen kann man sagen, daß die historischen Baustile in einem Teile unserer jüngsten Gebäude eine besonders glückliche Neubelebung erfahren haben.
Während die öffentlichen Bauten an überlieferte Stile anknüpfen, muß betont werden, daß die neuen Aufgaben, wie sie das mächtig aufblühende Handels- und Verkehrsleben der Millionenstadt bietet, auch neue Lösungen gefunden haben.
Die Ausbildung der Warenhäuser, die die abschließende Wandfläche in Pfeilerstellungen auflöst, und diese für den gotischen Kirchenbau charakteristische Innenkonstruktion nach außen überträgt, ist in dieser Art nicht nur neu, sondern auch glücklich und unendlich variabel, sowohl in Ausgestaltung der Pfeiler selbst, als ihrer Verbindungen, des Haches etc. Klassische Lösungen von höchster Originalität bietet der