Heft 
(1905) 14
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13. (4. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

und durch Erfahrung gewitzigt, mitunter unterirdische Rinnsale in be­deutender Tiefe mit Erfolg wittern.

2. Der psychologische Gesichtspunkt, auf den jetzt die Verteidiger der Wünschelrute ein Hauptgewicht legen, um sich gegen die Vorwürfe der Geologen als unzureichende und einseitige zu wehren. Herr Dominik äußert sich in dieser Beziehung wörtlich.

Geheimrat Franzius besitzt einen angesehenen Namen als Ingenieur, so daß sein Bericht als völlig glaubwürdig gelten muß. Seine Erfahrungen bestätigen zunächst, daß eine persönliche Disposition für das Finden von Quellen, ebenso wie von verborgenem Golde, auf das hin die Rute gleichfalls ausschlägt, vorhanden sein muß. Sie zeigen aber weiter, daß zum Finden das einfache Instrument der Rute notwendig ist. Eine Erklärung für diese Tatsachen, die zunächst als beglaubigt gelten müssen, ist zurzeit nicht möglich. Es steht aber zu hoffen, daß durch den Bericht von Franzius das uralte Thema von der Wünschelrute der wissenschaftlichen Forschung erschlossen wird.

Als Parallelerscheinung braucht man ja nur den Hypnotismus heran­zuziehen, dessen wunderbare Phänomene auch lange Jahre hindurch als Aberglaube und Schwindel verschrieen wurden, während wir heut bereits erfreuliche Anfänge zu einer Wissenschaft und Theorie der Hypnose besitzen.

3. Der volkskundliche Gesichtspunkt. Dieser interessiert uns, da wir die Volkskunde als einen der wichtigsten Bestandteile der Landes- und Heimatkunde betrachten müssen, augenblicklich mehr, als der Kampf zwischen den Geologen und den Psychologen (Punkt 1 und 2). Der Kampf um die Wünschelrute, deren geheimnisvolle Kraft nun nicht mehr lediglich bezüglich des Wassers sondern bereits nunmehr sogar auch des Goldes von Neuem hervorgesucht wird, beweist erstlich, wie gewisse primäre Vorstellungen in der Völkerseele über die ganze Erde verbreitet sind und sodann, wie sie, seit der grauesten Vorzeit bestehend, unausrottbar sind, selbst in unserer Zeit, die sich mit ihrer Aufklärung, vermittelt durch die naturgeschichtlichen und technischen Wissenschaften, so gewaltig brüstet. II. Dominik erinnert beiläufig auch daran, daß das Nibelungenlied die Wünschelrute kennt und kurzweg denWunsch nennt, wie in dem Verse:Es lag der Wunsch darunter, von Gold ein llütelein hervorgeht und wie Moses mit dem Stab Wasser aus dem Felsen lokte bei Massa und Meriba nahe dem Berg Horeb (Exodus-Kap. 17) und wie bereits in Ninive eine Göttin als Herrin des magischen Stabes d. i. der Wünschelrute verehrt wurde.

So hat der neuangefachte Streit vom volkskundlichen Standpunkt aus hohes Interesse: je schärfer die Geister dabei aneinander platzen, je besser im Interesse der Wissenschaft. Als Nachlese verweise ich noch bezüglich der Vergangenheit u. a. auf folgende Veröffentlichungen.

Carus Sterne: Die Wahrsagungen aus den Bewegungen lebloser Körper unter dem Einfluß der menschlichen Hand. Weimar 1862.