Heft 
(1905) 14
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13. (4. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

hätten. Zar größten Überraschung in wissenschaftlichen Kreisen hat es sich aber bei der Abformung des Rolands für das Märkische Museum herausgestellt, daß die Sache eine ganz andere Bewandnis hat.

Der Kopf des Brandenburger Rolands ist nämlich, was von den jetzt Lebenden bislang niemand gewußt hat, bis 10 cm tief ausgehöhlt in einem lichten Umfang von 84 cm. Die Höhlung ist glatt und sorgfältig hergestellt und mit Gartenerde ausgefüllt worden. In dieser wurzelt eine große Anzahl von Sempervivmn tectorum, einer Fettpflanze, die bei uns gewöhnlich llaushiuch (mit fehlerhafter Aussprache llauslaub), an anderen Orten wegen ihres krausen Wuchses und ihrer leuchtenden, auf hohen Stengeln stehenden BlütenDonnerbart oderDonnerkraut genannt wird.

Die Bedeutung dieses Krautes ist, gegen Wetterschäden, als Über­schwemmung, llagelschlag, namentlich gegen Blitzschlag und Feuersbrunst zu schützen. Insbesondere sind bei den Germanen llauslauch und Stechpalme dem Donar oder Thor geweiht, weil sie auch die so fleischigen Blätter des Hauslauchs wegen des eigentümlichen Baues ihrer Blätter selbst dem heftigsten llagelschlag trotzen. Alle diese dem Wettergott geweihten immergrünen Blätter, als Buchsbaum, Wacholder, Sadebaum, Efeu u. a. führen oder führten den Namen Sagmina; man bindet Büschel daraus und läßt sie in katholischen Ländern um Ostern mit Weihwasser in der Kirche heiligen.

Das Donnerkraut Sempervivum wird in Berlin, in der ganzen Mark und vielen anderen Landesteilen noch jetzt auf Mauern und Dächern gegen Blitzschlag und Feuersbrunst gepflanzt, was um so merkwürdiger ist, als die Pflanze bei uns nicht wild vorkommt. Sie ist auch kaum in den Handelsgärtnereien zu haben, vielmehr wird sie durch freiwillige Abgabe oder von Abergläubischen noch lieber durch heimliches Ent­wenden verbreitet.

Woher kommt diese Sitte? Offenbar schreibt sie sich von Kaiser Karl dem Großen und dem ungemessenen Einfluß, den dieser gewaltige reichsväterliche Monarch zu allen Zeiten behauptet hat, her. Wenigstens ist die alte germanische auch bei den romanisierten West-Franken seit der Urzeit her übliche Gepflogenheit durch Karl den Großen sanktioniert und in gewissem Sinne und Umfang gesetzlich geworden.

Der große Karl erließ nämlich an die Verwalter der Meierhöfe eine Reichsverordnung, die in der Rechts- und Landeskulturgeschichte unter dem Namen des Capitulare de villis vom Jahre 812 bekannt ist. Darin wird im 52. Absatz gesagt, was der Meier im Garten hegen.soll: Lilien, Rosen, Fenchel usw., und weiter heißt es: Et hortulanus habeat super domunt suam Jovis Barban), d. h. der Meier soll oben auf seinem Dach Donnerbart gepflanzt haben.