Heft 
(1905) 14
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15. (5. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

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zug ab wandelt Holzer nicht mehr auf den Spuren Kleists, sondern folgt nun wieder der durch den biedern Peter Hatftiz vertretenen Über­lieferung. Nur kleine Züge, wie die Anwesenheit des Kurfürsten von Sachsen in Berlin bei der Hinrichtung, die Erhebung der Kinder Kolil- hases in den Ritterstand, entlehnt er vom Dichter. Offenbar schreckte ihn Kleists gegen Ende der Novelle so stark hervortretender Mystizismus ab. Auch die alte, immer wieder geltend gemachte Auffassung, die ich in meinem vor einigen Jahren in dieser Gesellschaft gehaltenen Vortrag (Brandenburgs Monatshefte 10, 323 ff) mit dem Hinweis auf die vom Dichter benutzte Quelle in Leutingers Bericht bekämpfte und die jetzt auch Erich Schmidt verwirft, die Auffassung, daß Kleists Darstellungs­kunst am Schlüsse sinkt, wirkt dabei nach. Aber indem Holzer hier Kleist verläßt, sieht man, wie wenig er aus Eigenem zu geben fähig ist. Man erfährt nun gar nicht, auf welche Weise Kohlhase in die Gewalt Joachims II. geraten ist. Plötzlich und unvermittelt wohnen wir seiner Hinrichtung bei.

In der Sprache zeigt sich der Verfasser stark von Hauptmanns Florian Geyer beeinflußt, welche Dichtung übrigens auch über die Diktion hinaus auf das Drama eingewirkt hat. Aber er besitzt nicht die gediegene Kenntnis der Literatur des sechzehnten Jahrhunderts, die dem Schöpfer seines Vorbildes eigen ist und ihn in den Stand gesetzt hat, nicht allein die Leute, sondern auch den Geist jener großen Epoche wiederzugeben, wodurch es ihm in so hohem Maße gelingt, uns zu er­greifen.Glauben fürglauben,sehrer fürsehr,indesso, jetzo u. ä., dazu eine größere Anzahl falscher Kasusformen bewirken noch nicht das, was wir Zeitkolorit nennen. Sonst ist der Sprache Kürze und Prägnanz nachzurühmen. Auch einen gewissen Bühneninstinkt will ich dem Verfasser nicht absprechen. Aber mit einem Heinrich von Kleist um die Palme zu ringen, dazu langt es nicht. Ich glaube nicht, daß der Dichtung eine größere Wirkung, die sie auch nicht verdient, beschieden sein wird. Sie wird nicht mehr Spuren hinterlassen als Maltitz im Jahre 1828 erschienenes epigonenhaftes Trauerspiel. Eine Vergleichung beider würde übrigens ein helles Licht auf den Unterschied des literarischen Geistes der Zeit um 1830 von dem heutigen werfen.

XXX. Fräulein Elisabeth Lemke: Italiens Pflanzenwelt in Berlin. Her Vortrag wurde unterstützt von einer schönen Sammlung von Pro­dukten Italiens, welche die Firma J. D. Riedel zusammengestellt hatte (vgl. oben S. 489). Der Vortrag wird in einem der nächsten Hefte als besonderer Aufsatz erscheinen.

XXXI. Nach der Sitzung zwanglose Zusammenkunft im Restaurant Alt-Bayern, Potsdamer Str. 10,11-