Heft 
(1905) 14
Seite
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IC. (0. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

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Diese Stoßzahne scheinen denen des typischen Mammuts zu ähneln, icli habe aber eine ganze Anzahl von diluvialen Elefaszähnen aus Deutschland und den Nachbarländern gesehen, welche in den öffentlichen Sammlungen zwar als El. primigenius bezeichnet sind, sich aber keineswegs in den typischen Formenkreis des Mammuts einfügen; dies geht auch aus den Photographien und sonstigen Abbildungen von Mammuts ans Belgien, Frankreich, Süddeutschland, der Schweiz u. s. w. hervor. Es drängt sich daher mir immermehr die Vorstellung auf, daß in dem, was man unter dem Namen Mammut begreift, wenn man nach der Gestaltung der Stoßzähne urteilt, mehrere sehr von einander abweichende Formen vereinigt sind, die vielleicht im Sinne von Professor Matschie geographisch ver­schiedene Ausbildungen sind, besondere Speeies oder wenigstens Subspecies.

Sobald es möglich ist, die Stoßzähne, deren Erhaltung eine um­ständliche, kostspielige und zeitraubende chemische Behandlung erheischt, zu transportieren, beziehentlich von ihnen genaue photographische Auf­nahmen zu machen, werde ich nicht verfehlen, eine neue eingehendere Mitteilung unter Vorlegung der Stoßzähne zu machen.

Besonders interessant ist, wie angedeutet, die besprochene Beziehung dieses Cachette-Fundes zum Menschen. Ich deutete früher an, daß bei den zahlreichen sibirischen Mammutfunden auf Spui'en des Menschen wenig geachtet sei. Glücklicher Weise ist es doch geschehen bei einem im Mai 189G in der Nähe der Stadt Tomsk in Sibirien gemachten Funde, von dem ich nach den Mitteilungen der Wiener Anthropologischen Ge­sellschaft vom Januar 1897 folgendes erzähle. Der Bibliothekar an der Kais. Universität Tomsk, S. K. Kusnezow berichtet in den gedachten Mitteilungen wie folgt. Die Entdeckung geschah durch einen Mann, der von deren Wichtigkeit keine Ahnung hatte. Ein bei dem Bau der Kathedrale beschäftigter Maurer entnahm Sand zur Arbeit und stieß dabei auf Knochen, die in der gefrorenen Uferschlucht zu Tage traten. Es gelang ihm, einen Teil des unteren Mammut-Kinnbackens heraus- zuzieheu. Als die Nachricht von diesem Funde sich verbreitete, erschien ein Beamter der Gouvernementsregierung mit den Professoren der Zoo­logie Kaszczenko und Lehmann, und diese ließen nun die weiteren Aus­grabungen selbst bewerkstelligen, die fünf Tage lang schichtweise bis zu einer Tiefe von 9 Fuß ausgeführt worden. Am zweiten Tage kamen die Knochen des Mammuts zum Vorschein, die auf einer Fläche von 8 Meter Länge und 3' 3 Meter Breite in Unordnung umherlagen. Auf dem Platze fand man die Spuren eines sehr großen Feuerherdes von 2 Meter Durchmesser, auch Kohlen lagen zerstreut umher. Sobald die Knochen zu Tage traten, zeigten sich nicht weit davon Feuersteinsplitter, Schabsteine und zwei Holzstücke. Unter den Mammutknochen lagen drei andere, von denen zwei vielleicht einem Menschen angehören. Der geschilderte Fund ist für Sibirien von um so höherer Bedeutung, als er,

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