Heft 
(1905) 14
Seite
519
Einzelbild herunterladen

IG. (6. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

519

rohesten Werkzeuge dem Menschen fertig in Gestalt von Steinen ge­boten wurden.

Endlich aber haben sich unter den allerneuesten Funden aus dem Tertiär (Miocän) Steine gefunden, die nicht bloß zerarbeitet, sondern zu gewissen regelmässigen bereits typischen Formen, werkzeugartig be­arbeitet sind. In dieser Beziehung sind wir bereits über den früheren Standpunkt Rutots fort, der vor wenig Jahren noch für das Tertiär nur vom Urmenschen zerarbeitete, nicht aber bereits bearbeitete Silex kannte. Von diesen primitiven aber immerhin schon wirklichen Werk­zeugtypen findet sich aber keine Spur, sei es unter den rohen Kreide- fouersteinen, sei es unter den bearbeiteten Feuersteinen, die aus den Schlämmmaschinen in den Kreidebrüchen von Guerville-Mantes, von Brighton, von der Insel Rügen usw. hervorgehen.

Es gibt also auch in Europa im Tertiär bereits Werkzeugtypen und damit fällt der liaupteinwand des Herrn Boule zusammen. Trotz­dem sind wir, ich wiederhole es ausdrücklich, Herrn Boule für seine Streitschrift recht dankbar. Die meisten von ihm abgedruckten sogen. Eolithe von Guerville ähneln in der Tat solchen Stücken, die man viel­fach bei uns findet und leicht als mit solchen, die menchliche Zer- und Bearbeitung erfahren haben, verwechseln kann. Für mich persönlich sind diese Wirkungen der Kieideschlämmereien und Zementfabriken, allerdings nicht neu; seit meiner Kindheit habe ich mich bis heut fast alljährlich in den großen Kreidebetrieben der Insel Rügen bei Nip­merow, Quoltitz, Sagard, Crampas und Sassnitz bewegt und die dort zufällig durch den Maschinenbetrieb und die Wasserströmung dena­turierten Silex ungezählte Male in der Hand gehabt, ebenso auch die Silex aus dem Hangenden, dem Diluvium in Geschiebe- und Geröll­gestalt. Dergleichen Kenntnisse lassen sich bestens auch für unsere Provinz Brandenburg verwenden in der Eolithefrage. Nachträglich geht mir die Oktobernummer d. J. des Correspondenz-Blattes der deutschen Gesellschaft für Anthropologie etc. zu, wonach sich Dr. Hans Hahne, ein hervorragender Sachkenner, in einem auf der deutschen Anthro­pologen-Vers. zu Salzburg gehaltenen VortragÜber den Stand der sog. Eolithenfrage in gleichem Sinne geäußert hat, desgl. Dr. Birkner- München, Prof. E. Fraas-Stuttgart und Konservator Eduard Krause- Berlin. Eine im Archiv für Anthropologie erschienene Arbeit von Obermaier-Paris, welche Herrn Boule sekundiert, wurde nicht minder abfällig als dessen Abhandlung kritisiert.

V. Die bearbeiteten Kiesel aus dem Tertiär von Cantal in Frankreich, welche ich unter IV gestreift, habe ich bereits ausführlicher am 81. Maid. h. in der Brandenburg^ (XIV. 323) besprochen und zwar auf Grund der Beobachtungen von Prof. Klaatsch. Zu dieser treten nunmehr noch die vollauf bestätigenden Untersuchungen von