Heft 
(1905) 14
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16. (6 ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

beruht, indem an der betrettenden Stelle der Germania des Tacitus Kap. 40 alle HandschriftenNerthum oderNertlnm stattIlertham lesen. Barthold hat in seiner Geschichte von Pommern und Rügen ([. 114 ff.) gezeigt, wie zuerst int Jahre 1616 ein auswärtiger grübelnder Forscher (Klüver) gemutmaßt habe, daß Rügen die vom Tacitus so un­bestimmt bezeichnete Insel im Ozean sei, auf welcher die als falsche Göttin in die Germania hineingekommene Hertha verehrt worden wäre; wie diesem der erste pommersche Geschichtsschreiber im 17. Jahr­hundert, Micraelius, darin blind gefolgt sei, und die Mutmaßung allmählich, durch immer dreistere Behauptung, den Schein einer geschichtlichen Tatsache angenommen habe*).

Wie trotzdem und alledem der Fabelname Hertha niemals ausge­rottet werden wird, so geschieht es und wird geschehen mit dem ver­meintlichen Vineta-Riff und der von Schulmeistern, Journalisten und sentimentalen Badegästen erfundenen, beziehentlich nachgebeteten Vineta- Sage. Beide Fabeleien werden fortbestehen: mundus vult decipi!

Wenn man schliesslich als Grundlage und Lokalisierung dieser Fabeln einen prähistorischen Grund sucht, so will ich hinzufügen, daß Professor Dr. Theodor Liebe von hier und ich sehr häufig wendische Reste, namentlich von Töpferware am und beim Streckelberg, besonders landeinwärts gefunden haben. Es sind unzweifelhaft hier wendische Ansiedelungen gewesen und gänzlich verschwunden. Aber die Wenden haben niemals Steingräber, am wenigsten megalithische errichtet, die vorpommerschen megalithischen Grabhügel sind zum Teil tausende von Jahren älter als die Wendenzeit.

Bleibt noch die geologische Frage. Dieso ist, wie ich über­zeugt bin, die einzige, die beim Vineta-Riff in Frage kommt. Ich maße mir selbstverständlich, namentlich dem kundigen Herrn Verfasser gegen­über, keine geologische Lösung an. Daß der Herr Verfasser eine prä­historische Lösung vorschlägt, beweist, daß er eine befriedigende geologisch - stratigraphische wenigstens bisher nicht gefunden hat. Hoffentlich geschieht dies später einmal. Rei der kettenartigen An­ordnung der Blöcke hier und auf den beiden Nachbarriffen möchte man zunächst an einen Moränenschuttwall denken. Auffallend ist die tiefe Senkung dieses versunkenen Vorlandes im Verhältnis zu der Nähe und der bedeutenden Höhe des Streckeiberges.

Zöllner, der am a. O. S. 464-526 die Vineta-Frage mit großer Gründlichkeit und unparteiisch untersucht hatte, setzte im Jahre 1797 einen Preis für die Untersuchung der vermeintlichen Ruinen von Vineta in Höhe von vier Friedrichsdor aus, der bis 200 Thaler vermehrt und

*) Vgl. Boll, die Insel Rügen, Schwerin 1S58 S. 56. Der einheimische Name für den See und Wall istder Borgwallsee,der Borgwall.