Heft 
(1899) 8
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E. Lemke, Zur Geschichte der Fischerei.

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sehen Zeit. Fischereigeräte aller Art, so Fischspeere und Haken, Schnüre, Netzsenker, Netzschwimmer und Netzreste, Hütkasten, Fischotterfallen, Eisäxte und Schlittknochen, wie auch Fischerkähne mit voller Ausrüstung werden auf diesen Stellen gefunden. Wendische Fischer-Pfahlbauten sind von unserm verehrten Herrn Vorsitzenden Geh.-R. Friedei mehr­fach innerhalb Berlins nachgewiesen; und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in dieser Stunde auf einem Platze versammelt sind, wo die seeligen Geister wendischer Fischer uns umschweben, ein nimmer er­löschendes Heimatsrecht beanspruchend, wenn auch nur in unserm dankbaren Gedenken. Die Wenden haben immerhin ein grosses Stück Kulturarbeit in der Mark erledigt. Wir verdanken ihnen hier die ersten wirtschaftlichen Regelungen der Fischerei. Die Wassergebiete wurden genau eingeteilt, Raubfischereien verboten und bestimmte Beamte einge­setzt. Diese Beamte führten den NamenPritzstabel (von pristaw =Vogt), der sich bis in die neuere Zeit erhalten hatj Als die wendische Mark ihren Fischsegen aufs Beste geordnet und nutzbar gemacht hatte, kam ganz dem Lebensgesetze der einander verschlingenden Fische angepasst der deutsche Eroberer. Dieser besetzte und behielt den alten Pfahlbau bei, errichtete dort gern seine Burg und benutzte die wendischen Wälle als Schutz wehr. Aus den grösseren Burgwällen oder im Weichbild derselben entwickelten sich die ersten christlichen Städte der Mark, vor deren Thoren, am Wasser oder im Wasser auf Pfahlbau, in den vorhin erwähnten Kietzen (vom wendischen kitza, kititza=Holz- hütte, Fischerhütte) sich die alte wendische Fischerbevölkerung, von den Deutschen verachtet, noch Jahrhunderte lang in ihrer Besonderheit er­hielt. Nach slavischem Recht waren Wald, Weide und Wassernutzung Eigentum der eng zusammen in Ringdörfern wohnenden Gemeinde­genossenschaft. Die Deutschen dagegen brachten die alt-germanische Anschauung und Lebensweise (von denen Tacitus berichtet) mit, wonach jeder echte Grundbesitzer innerhalb der Grenzen seines Gebietes über die Wasserfläche desselben, sowie die Gemeinde über die ihre Ländereien berührenden Gewässer frei verfügt. Die Gefahren aber, welche die deutschen Einwanderer in ihrer Vereinzelung seit dem 10. Jahrh. im Wendenlande zu bestehen hatten, nötigten sie schnell, sich in Dorf- schaften, unter dem Schutze der deutschen Burgen und der markgräflichen Vasallen, enger zusammen zu thun. So wurde bald auch die Fischerei in offenen Gewässern ein Kammerregal. In Bezug auf Privatgewässer trat ein ähnliches Verhältnis ein, indem auf dieselben sich wider jedes altdeutsche Herkommen die Gutsbesitzer und Obrigkeiten mit Über­gehen der Hintersassen (Bauern) eine ausschliessliche Fischerei­gerechtigkeit anmassten. Die Fischerei selber besass bald nicht halb so viel Ansehen wie in wendischer Zeit. Dazu trugen die Zunahme der deutschen und die Abnahme der wendischen Bevölkerung bei. Die