50
E. Lemke, Zur Geschichte der Fischerei.
kolonie: „Die Einwohner, welche schon früher mit ihren Habseligkeiten aus den Häusern geflüchtet waren, liegen jetzt grösstenteils auf Kalmen unweit Pichelsdorf, sind aber auch dort bei dem geringsten Ausfall aus der Festung der Gefahr ausgesetzt, das Gerettete zu verlieren, da sie von der einen Seite durch die Festung und von der anderen durch die daselbst angelegten Brücken so eingeschlossen sind, dass sie durchaus mit ihren Kähnen nicht in Sicherheit kommen können. Der Landrat v. Bredow hat die Mobilien der Verunglückten nach entlegenen Ortschaften fahren und sie selbst dort unterbringen wollen; allein sie haben dies abzulehnen gesucht und wünschen in der Nähe des Wassers zu bleiben, weil solches ihren Unterhalt gewährt.“ Auch nach Aufhebung der Belagening und Wiederkehr des Friedens blieben ihre Verhältnisse recht traurig. Mehrere Familien wohnten, wie ein Bericht derselben Polizei-Direktion sagt, in kleinen Kammern „aufgeschichtet“, nicht unähnlich armen gefangenen Fischen in engem Behältnis, und ihr Handwerksgerät — ihr einzigstes Mittel zum Lebensunterhalt — musste verderben. Nach einigen Jahren kam eine bessere Zeit, und 1818 stand die neue Gemeinde, welche von nuu an den Namen Tiefwerder führte, fertig da. Heute erinnert das Dorf nicht mehr an Kietz-Zustände. Nichtsdestoweniger aber lebt in den Bewohnern die Erinnerung an ihre Vergangenheit als Kietzer noch fort; sie ernähren sich noch heutigen Tages von dem Ertrage ihrer Fischerei und bewahren gewissenhaft die hierüber sprechenden Privilegien und Urkunden. Ihre Inmmgslade vom Jahre 1691 haben sie mit den Verbriefungen ihrer Gerechtsame durch alle Wechselfälle der Kriege wohl erhalten und bewahrt. Eine Urkunde vom 19. September 1409 meldet, wie Markgraf Jobst den zwischen der Stadt Spandau und den Wenden auf dem Kietze wegen Benutzung einer Wiese ausgebrochenen Zwist schlichtet und bestimmt, dass die Wenden nicht vor dem Richter zu Spandau, sondern vor dem Richter auf dem Damme antworten sollen. Dieselbe Bestimmung treffen wir in einer Urkunde vom 21. Juni 1431 an. Im Jahre 1480 werden sich die Spandauer Kietzer gefreut haben, weil Markgraf Johann ihren Streit mit den Fischern von Berlin und Kölln dahin entschied, dass diese nur mit sechs Kähnen fischen und die Fische nicht in aufgestellte Netze — durch Schlagen mit den Peetzen d. s. Ilolzstangen mit flacher / Schaufel u. s. w. treiben durften; auch die Rapennetze, mit denen | man an den Rohrungen und bei Hochwasser auf den Wiesen Fische zu fangen suchte, welche Netze mit Strohwischen (Wipen) versehen werden I mussten, um stehen zu bleiben, wurden verboten. Die Urkunde vom / 7. Dezember 1570 betont, dass mit „Powertjagd, Hechtflöcken, Seegarn I und Aalflöten“ nach alter Weise gefischt werden möge. Die Ordnung der „Fischreisser“ zu Wriezen, 169?, sagt u. A.: „Wenn ein Zunftgenosse oder dessen Fraue und Kinder verstirbet, sollen alle, so in der Zunft