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E. Lemke, Zur Geschichte der Fischerei.
die Ansiedelungen der „Seugener“ auf der jetzigen Altstadt, von einem Graben begrenzt. Um diesen Ort befand sich ein freies Feld, welches mit vielen Sümpfen bedeckt war, die namentlich im Süden einen „Poggen- pfuhl“ (Froschpfuhl) bildeten. Die Fluten der damals viel breiteren Mottlau überschwemmten alljährlich dieses freie Feld, dem gegenüber westlich dichte Waldungen die Höhenzüge bedeckten. Die Bewohner der kleinen Ortschaft waren arme Fischer, die sich von Fischfang und Bernsteinhandel ernährten. Zum Aufhewahren der Fische hatten sie, wie noch die Fischer heutigen Tages, Kähne mit durchlöcherten Behältern, welche „Seune“ Messen, was ihnen selber den Namen „Senner“ oder „SeugeDer“ eintrug. Ihre Ansiedlungen werden noch jetzt durch die Strassen „Unter den Seigen, „Hohe Seigen“, „Niedere Seigen“ und „Karpfenseigen“ angedeutet.*)
Im Jahre 1400 bauten die Ordensritter einen massiven Hof in dem Dorfe Scharpau, im grossen Werder gelegen. In diesen Hof setzten sie einen Fischmeister oder Grossscheffer, der die Fischereien in der Nehrung ausführen liess, die Aufsicht darüber hatte und für das Schloss Marienburg stets die verlangten Fische liefern musste. Es befanden sich in Scharpau mit eisernen Gittern versehene Behälter, in denen die verschiedenen Fische gesondert gehalten wurden. Hundert Jahre später brachte der Bischof von Ermeland diesen Fischhof an sich, worüber der Rat zu Danzig beim Könige von Polen Beschwerde führte. Die Fischmeister hatten grosse Einkünfte (waren also sehr anders gestellt als die märkischen Pritzstabeln), und einer von ihnen, Wilhelm von Tossen- feld, der im Jahre 1498 starb, soll 118 Jahre geworden sein.**)
Wiederum ein Beweis, wie empfehlenswert die Ernährung durch Fische sein dürfte. In Amerika sagt man: „Fische stärken den Verstand. Darum essen auch die Schriftsteller so gern Fische.“ Aber auch den kleinen Kindern giebt man reichlich Fischfleisch zu essen, welche Sitte noch mehr Geltung in England haben soll.
Einige Angaben über die Verhältnisse im Kurischen Haffe erfuhr ich vor einiger Zeit durch dort wohnende Fischerleute. Die Netzsenker, „Sternchen“ genannt, werden aus Lehm gefertigt und mit der Hand, wie Gebäck, geformt. Danach werden sie mit einem sehr dicken Drahte oder Stabe durchlocht; man kann dazu auch eine Weberspule aus Rohr benutzen. Ist eine grössere Anzahl fertig, so kommt sie in den Backofen. Gegen Bezahlung hergestellt, sind 60 Stück mit M. 0,40 zu veranschlagen. Zuweilen giebt man ihnen einen bunten Rand, damit sie das Erkennen abhanden gekommener Netze erleichtern. Die Netz-
*) Danz. Ztg., 23. April 18U7. (S. J. N. Pawlowski, Geschichte der Provinzial- Hauptstadt Danzig.
**) A. F. Viol6t, Neringia; S. 183.