Heft 
(1899) 8
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E. Lemke, Zur Geschichte der Fischerei.

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in die Dicke zu wachsen. Weil die Fische im kalten Wasser jhre Wohnung haben j so ist leichtlich zu erachten welcher Natur vnd Eigenschafft sie sonderlich seyn müssen 1 nemlich kalter vnd feuchter Natur. Melancholischen und sanguinischen Leuten könnten die Fische nicht viel schaden; den cholerischen wären sie zu empfehlen, aber den phlegmatischen wären sie nur zuträglich, wenn ein guter Trunk Wein dazu käme und Nüsse hinterher gegessen würden. Es wird aber jedem geraten, zu Fischen Wein zu trinken und Nüsse zu essen,denn die Fische haben bisweilen ein klein kalt Gifttlein bei sich. Fischerey ist ein köstlich ' herrlich feuchtbar Ding j vn einem Hausswirth eine treff- liche gute Nahrung | davon er sein Ilauss gewaltig aufhalten kan. Colerus nennt eine Menge Mittel, die Fische zu mästen.Man hat auch Sachen | damit man sie reitzet vnd locket | dass sie in die Reusen kriechen | wie sonderlich das weitzene Maltz ist: Dann wann man dasselbige nur auff einen Stein zerklopffet | vnd danach den Stein ins Wasser leget j so kommen die Fische vnnd bleiben alle häuffig vnd gar schwartz darüber stehen | vnnd lecken mit den Mäulern an den Stein. Es sind auch etliche j die gerne Krebsfleisch vnd Kirschen Brodt essen. Etliche werden fett von Leim | etliche von Thon. Weiterhin werden als Lockspeisen und Bestandteile solcher genannt: Gerstengraupen in Fenchel gekocht,Kefer | die auff Bäumen sitzen,Reigerschmaltz, Honig,Feldgrillen vnd Feldheimen,Würmlein | die vmb S. dohannis dess Nachts auff den Wiesen viid Eckern also leuchten, Käse, Schnecken, Eidotter, Kampher, Sonnenblumen, Lorbeeröl, gemeine Fliegen, Mohn­kuchen u. s. w., auch vielmalsPyrahs (Pyras, Bierass), d. s. Regen­würmer. Ferner spielen rote Läppchen u. dgl. beim Fischfänge eine grosse Rolle. Von den Stichlingen oderSticherlingen heisst es: das seien Fische,Welche die Weiber ihren Männern gerne kochen j wann sie dess vorigen Tages trunckengewesen; die hättenkeinen guten Schmack. Wann man den Gifftrochen fangen will | so muss ein fischer anheben zu tantzen vn singen oder pfeiffen | daran der fisch eine solche grosse Lust | dass er sich auch in die Höhe auff das Wasser begibt | vnd dem Tantzen zusihet | vnnd dem Gesang vnd Klang sq begierlich nachhöret j dass er auch drüber mit dem Netze vmbzogen vnd gefangen wird. Schliesslich sei noch angeführt, dass der Stör ein richtigerHerrenfisch sei.Diesen fisch haben die Alten in so grossen ehren gehalten | dass allezeit | wenn man jhn in der Schüssel zu Tische getragen | die Diener mit Pfeiffen vnd Gesänge vor dem Gericht haben hergehen | vnnd'Kräntze auff jhren Köpften tragen müssen.

Hieran möchte ich die Bemerkung knüpfen, dass bei der Wolga­fischerei das Mündungsgebiet der Wolga (am kaspischen Meere) ein­gerechnet alljährlich 640,000 kg Störkaviar gewonnen wird; ausser­dem: 6,400,000 kg Kaviar anderer Fischsorten, 80,000 kg Stör- und