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E. Lemke, Zur Geschichte der Fischerei.
eine sehr weite Verbreitung haben und noch immer in Sagen und Spukgeschichten angetroffen werden.*)
Der Aal kommt auch im Maren- oder Alpmythus vor.**) Auch musste er sich an den „Tierprocessen“ beteiligen. Im Jahre 14ol sprach der Bischof von Lausanne einen Fluch über die Aale, weil sie die andern Fische des Sees allzu sehr belästigt hätten.***)
So viel auch unsere Zeit des Verwunderlichen und Unberechtigten noch aufzuweisen hat, — Tierprocesse, in allem Ernst von namhaften Juristen geführt, sind doch wohl unmöglich. Von andern Vorkommnissen früherer Zeiten bietet gerade die Fischerei in verschiedenen Ländern noch sehr Beachtenswertes. So in Ungarn. „Sind die Magyaren, als Bewohner einer an Fischwässern reichen Steppe, von jeher (ausser erfahrenen Reitern) auch geschickte Fischer gewesen, die bis auf den heutigen Tag Eigenarten des Fischereibetriebes — zu welchen Parallelen in Asien nachweisbar — von der Urzeit her bewahrt haben, so treten auch noch diejenigen Fischerei-Besonderheiten hinzu, welche die andern Volksstämme der Ungarischen Krone besitzen: die Deutschen, die Walachen, die Slaven und die Zigeuuer.“f) — Auf der Milleniums- Ausstellung in Budapest (1896) war unter der Leitung des Prof. Ilerr- mann auch eine reiche Ausstellung sogenannter „Ur-Beschäftigungen“ veranstaltet und alles was die Fischerei betrifft, in einer Pfahlbauhütte untergebracht, neben der Einbäume befestigt und Reusen aufgestellt waren. Eine der letzteren hat ihr Seitenstück in Virginien. Auch ein heute noch beliebter Pfahlbau einfachster Art war ausgestellt. Thönerne Netzsenker in der Form von prismatischen Gewichten, durchbohrten Kugeln oder runden Scheiben kann man von vorgeschichtlichen Stücken nicht unterscheiden. Als Netzbeschwerer werden auch vielfach Pferdeknochen (an unsere „Schlittknochen“ erinnernd) benutzt, indem sie der Länge nach — einer dicht an den andern anschliessend — am Rande des Netzes befestigt werden. Aus starken Binsen sind für die Netze Schwimmer gefertigt, deren Form und Zusammenknotung sehr reichhaltig sind und zugleich Eigentumszeichen ergeben. Kleine Kuhglocken werden an feststehenden Angeln befestigt, um durch ihren Klang anzuzeigen, wenn ein Fisch angebissen hat. Ein grösseres hölzernes Ilorn gebrauchen die Fischer zu Notsignalen. (U. s. w.)ff) — Im hiesigen Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes befindet sich eine Sammlung von Fischereizeichen, die z. T. an Runen erinnern. Von mehreren kassubischen Fischerdörfern Helas sammelte
*) Elard Hugo Meyer, Germanische Mythologie. S. 283 u. 113.
**) Elard Hugo Meyer, a. a. 0., S. 77.
***) Otto Dörflas, Tierprocesse. (Der Bär, 5. Nov. 1898.)
f) E. Friedei, Verh. d. Berliner Ges. f. A., E. u. U., 1887, S. 314.
ft) M. Bartels, Verh. d. Berliner Ges. f. A., E. u. U., 1896, S. 5G9 u. f.