Kleine Mitteilungen.
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2. Beilage der Berliner Morgenpost vom 3. Januar 1899, die in die Häuser geworfen war, unter den „Vermischten Anzeigen“ allein 19 Anzeigen, worin Frauen sich anbieten Blei zu deuten (jedenfalls Blei, das in der Sylvesternacht gegossen wurde), um daraus die Zukunft zu sagen. Eine solche Anzeige lautet z. B. „Sprechstunde, Karten, Blei deuten, eintreffende Erfolge“ ... ln den meisten Anzeigen heisst es: „Blei und Karten“, oder „Karten und Blei deuten“, auch „Ei, Blei, Karten deuten“. Als „Wahrsagerin“ im besonderen zeigen sich drei Frauen an, mit dem Zusatz „Zigeunerbedeutung“, oder als „Berühmte Wahrsagerin“ oder als „Wahrsagerin Lenormand!“ Eine Wahrsagerin zeigt an: „Sprechstunde. Herren und Damen. Karten, Blei und Ei deutend .. . Frau . . “ Eine andere: „Sprechstunden, Kartendeuten ein- treffendc Erfolge auch in Gerichts-Familienangelegenheiten . . “ Eine wieder zeigt an: „Zukunft! (Familien-Erbkarte) Blei, Ei deutet Frau..“ Oder: „Wiener Kartendeuterin, Erfolg staunend“. Dazu kommen noch 14 Anzeigen, in denen es bloss heisst: „Sprechstunden“; vermutlich handelt es sich hier auch noch um Kartendeuterinnen, da auch Sprechstunden mit Karten- und Bleideuten angezeigt werden. Im ganzen finden sieh in diesem einen Zeitungsblatt 40 solcher Anzeigen hintereinander; es wird der Aberglaube ganz geschäftsmässig betrieben.
Wie bedeutungsvoll die Deutung der Karten in das Leben Einzelner eingreift, zeigt ein Bericht der Berliner Zeitungen von Ende Januar. In einem Orte bei Berlin, wurde eine Frau von Eifersucht geplagt gegen ihren Mann, den „die ganze Nachbarschaft als ordentlichen Menschen schildert.“ Sie geht zu einer Wahrsagerin. Die Karten deuten auf Schuld des Mannes. Diese Deutung nimmt sich die Frau so zu Herzen, dass sie schliesslich ganz wirr durch die Strassen irrt und am Landwehrkanal sich mit ihrem siebenjährigen Kinde, das sich „heftig sträubt“, ins Wasser stürzt, um sich zu ertränken. Beide wurden gerettet und in ein Krankenhaus gebracht.
W. v. Schulenburg.
Die Schildwache vor der Bank im Jahre 1848 . Der i. J. 1877 verstorbene Direktor des Friedrichs - Werderschen Gymnasiums zu Berlin, Professor Eduard Bonneil, hat seiner Zeit schriftliche Aufzeichnungen über seine Erlebnisse während der Eevolutionstage von 1848 gemacht. Darin findet sich auch eine Mitteilung über das Schicksal der Schildwaehe vor der Bank. Das Werdersclie Gymnasium mit der Wohnung des Direktors lag damals in der Kurstrasse, da, wo sie ihren Anfang nimmt, nahe dem Werderschen Markt, gegenüber der Bank. Von einem Fenster der Wohnung des Direktors aus konnte man die Jägerstrasse übersehen. Später wurde das Gymnasium in das neue Schulhaus nach der Dorotheenstrasse verlegt.
An der beregten Stelle der geschichtlichen Mitteilungen berichtet Eduard Bonnell: „Ich rüstete mich eben, um noch einmal nach dem Schlossplatz zu gehen, mein Sohn war bereits hingeeilt, da stürzte meine Frau in mein Zimmer mit den Worten: „Komm rasch vor, was ist das für ein Geschrei auf der Strasse?“ — „Es wird Jubel der vom Schlosse Zurückkehrenden sein“, meinte ich. „Nein, es ist Wutgeschrei.“ Ich eile in das Vorderzimmer. In demselben Augenblicke fällt ein Schuss, Thüren der Häuser