Heft 
(1899) 8
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Pestzeiten in Berlin und der Mark Brandenburg.

18. starb Buhriscli, nach dem klinischen Bericht Dr. Müllers an Lungen­entzündung. Erst am Tage nach seinem Tode wurden Pestbazillen konstatirt.

Die Wärterinnen Albine Peche und Ilochegger, die die Kranken gepflegt hatten und Dr. Müller, der freiwillig ihre ärztliche Behandlung übernahm, wurden in der Pestkammer des Epidemiespitals isoliert; zwei barmherzige Schwestern teilten ihre Weltabgeschlossenheit. Schon am nächsten Tage kam die Pest bei der Peclia zum Ausbruch und am Freitag, den 21. Oktober heftete Dr. Müller an das Fenster der Baracke einen folgendermassen lautenden Zettel:

Ich bin an der Pestpneumonie erkrankt. Bitte mir keinen Arzt zu senden, da es mit mir in 4 oder 5 Tagen ohnedies zu Ende sein wird.

Sechzig Stunden später war der kraftstrotzende Mann eine Leiche.

Viel länger und qualvoller hatte Albine Peclia, ein blühendes Mädchen von 22 Jahren zu leiden, ehe der Tod ihr Erlösung brachte.

Die Hochegger genas, da sie nur an einem Ohr-Uebel erkrankt gewesen war.

Mit Rücksicht auf diese in Wien vorgekommenen Fälle von wirk­licher orientalischer Beulenpest, die glücklicherweise die einzigen geblieben sind, erlaube ich mir heute über das Vorkommen der Pest bei uns in der Mark Brandeburg und besonders in unsrer Heimatstadt Berlin in früheren Zeiten einige Notizen zu geben. Ich muss zu dem Zwecke weit zurückgehen und auch über das Wesen derPest genannten Krankheit und deren seuchenartiges Vorkommen im Altertum und Mittel- alter sprechen.

Keine Krankheit hat so einschneidend auf die Geschicke der historischen Nationen eingewirkt, als die Pest. Die 2 bedeutendsten Wendepunkte der Geschichte: die Auflösung des Altertums und der Verfall des Mittelalters sind unter ihren Verheerungen vor sich gegangen.

Eine geographische Darstellung derselben wird dadurch erleichtert, dass die Gebiete, in welcher die Pest sich entfaltet hat, meist deutlicher begrenzbar sind, als die anderer Krankheiten. Es ist keine eiuiger- massen verlässliche Kunde vorhanden, dass die Pest jemals in Amerika aufgetreten sei; und ebenso wenig wie nach Westen über* den Ocean scheint die Pest nach Süden über die Sahara weg gewandert zu sein; sie ist wenigstens nie über Wadi Hülfe nach Nubien vorgedrungen, wie neuere Aerzte in Egyplen übereinstimmend bekunden.

Auch an die Südküste von Arabien ist die Pest allem Anscheine nach nicht gedrungen. In Vorderindien und in China sind die Pest oder doch wenigstens ähnliche Krankheiten noch jetzt vorhanden. Nach Hinterindien dürfte die Seuche kaum gelangt sein, noch weniger nach den Sunda-Inseln. Die Züge der Pest haben also ein viel beschränkteres